Erster Besuch seit Beginn der Ukraine-Krise. Es geht „um konkrete Möglichkeiten“ der Unterstützung

Berlin/Kiew. Während im Osten der Ukraine die Kämpfe immer härter werden, halten die diplomatischen Bemühungen um den Ukraine-Konflikt an. Im Zentrum von Lugansk lieferte sich die ukrainische Armee am Dienstag Straßenkämpfe mit den Separatisten. Nach Angaben ukrainischer Armeevertreter wurde ein Bezirk von Lugansk „befreit“. Mehrere Zivilisten wurden bei Gefechten getötet oder verletzt. Sollte sich das Vorrücken der Armee bestätigen, wäre dies ein bedeutender Fortschritt im Kampf um die Rückeroberung der Städte.

Am Sonnabend besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erstmals seit Beginn des Konflikts Kiew. Merkel will über „konkrete Möglichkeiten“ sprechen, „die Ukraine in der aktuellen Krise zu unterstützen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag. Die Kanzlerin trifft auch Regierungschef Arseni Jazenjuk. Kiew hatte die Visite aus Deutschland angekündigt und von einem „sehr interessanten Besuch“ gesprochen.

In der weißrussischen Hauptstadt Minsk steht am Dienstag zudem ein Regionalgipfel an, bei dem Russlands Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Kollege Petro Poroschenko, die Präsidenten aus Kasachstan und Weißrussland sowie EU-Vertreter vertreten sind. Nach Angaben des Kreml sind auch bilaterale Gespräche geplant, es blieb aber unklar, ob Putin und Poroschenko direkt zusammenkommen.

Poroschenkos Büro erklärte, in Minsk solle über Möglichkeiten zur Stabilisierung der Lage in der Ostukraine, über Energiesicherheit und über Kiews geplantes Handelsabkommen mit Brüssel beraten werden. Die EU ist mit der Außenbeauftragten Catherine Ashton, Energiekommissar Günther Oettinger und Handelskommissar Karel de Gucht vertreten. Unionssprecher Philipp Mißfelder begrüßte die geplante Runde. Es dürfe „nichts unversucht“ bleiben, die in Berlin auf Außenministerebene geführten Gespräche fortzuführen.

In der Ostukraine verschärfte sich indes die Lage. Lugansk hat seit nunmehr 17 Tagen keinen Zugang zu Strom, Wasser und Lebensmitteln. In der Rebellenhochburg Donezk standen die Menschen am Dienstag erneut nach Wasser an. Die Stadt Makijiwka östlich von Donezk war am Dienstagvormittag beschossen worden. Rauchsäulen stiegen auch über der nahe gelegenen Stadt Jasinuwata auf, wo Soldaten nach eigenen Angaben bei einer „Säuberungsaktion“ im Einsatz waren. Nahe Lugansk barg die Armee mindestens 15 tote Zivilisten aus einem Flüchtlingskonvoi, der von Rebellen beschossen worden sein soll. Die Separatisten wiesen die Anschuldigungen zurück.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden seit dem Beginn des Konflikts mehr als 2100 Menschen getötet, mehr als 285.000 Menschen sind auf der Flucht. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zufolge hält sich Russland die Möglichkeit einer militärischen Intervention zugunsten der Rebellen offen. „Wir beobachten einen anhaltenden Strom von Waffen und Kämpfern in die Ostukraine“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Einen Tag nach dem Besuch der Kanzlerin in Kiew feiert die Ukraine am Sonntag ihren Unabhängigkeitstag. Präsident Petro Poroschenko plant zum Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung, die am 24. August 1991 vor dem Hintergrund der zerbrechenden Sowjetunion verabschiedet wurde, eine Militärparade.