Krisentreffen in Berlin. Führung in Kiew bittet EU und Nato um Militärhilfe. Dutzende Tote und Abschuss zweier Kampfjets

Berlin/Kiew. Begleitet von heftigen Kämpfen in der Ostukraine haben Kiew und Moskau einen neuen Versuch gestartet, die Gewaltspirale zu durchbrechen. Die Außenminister Russlands und der Ukraine kamen am Sonntag in Berlin mit ihren Kollegen aus Frankreich und Deutschland zusammen, um Wege zu einem Waffenstillstand zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten zu finden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Wenn man nicht aufpasse, dann könne es „zu einer Konfrontation unmittelbar zwischen ukrainischen und russischen Streitkräften“ kommen, sagte Steinmeier kurz vor dem Treffen. Die jüngsten Nachrichten aus der Ostukraine zeigten jedenfalls, dass der Konflikt sich noch verschlimmern könnte. In dem Gespräch mit seinen Kollegen will Steinmeier Wege ausloten, wie es zu einer Waffenruhe kommen könnte.

Vor dem Treffen schossen prorussische Separatisten nahe Lugansk ein Kampfflugzeug vom Typ Mig-29 ab. Die Aufständischen berichteten zudem vom Abschuss eines Jagdbombers Typ Suchoi Su-25. Auch am Boden tobten am Sonntag weiter heftige Gefechte zwischen Armee und Aufständischen. Dabei gab es Dutzende Tote.

Außenminister Steinmeier sagte, sein Ziel sei ein Fahrplan „hin zu einer nachhaltigen Waffenruhe und ein Rahmen für effektive Grenzkontrollen“. Mit am Tisch saßen die Außenminister der Ukraine und Russlands, Pawel Klimkin und Sergej Lawrow, sowie ihr französischer Kollege Laurent Fabius. Klimkin bat vorab die EU und die Nato um militärische Hilfe. Die Gefahr einer russischen Invasion sei allgegenwärtig. Ständig sickerten Kämpfer und Kriegsgerät aus dem Nachbarland ein, beklagte der frühere ukrainische Botschafter.

Einem ukrainischen Militärsprecher zufolge sollen allein in der Nacht zu Sonntag von russischem Territorium aus drei Raketenwerfer vom Typ Grad in das Kampfgebiet geschafft worden sein. Die Separatisten bestätigen auch selbst, Militärunterstützung aus Russland erhalten zu haben. 30 Panzer sowie 1200 auf russischem Gebiet ausgebildete Kämpfer seien zur Verstärkung gekommen, verkündete ihr Anführer Andrej Sachartschenko. Die russische Führung bestritt eine direkte Beteiligung am Konflikt. „Wir haben mehrfach gesagt, dass wir keine Technik dorthin liefern“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. In dem Konflikt kämpfen Aufständische seit Monaten für eine Loslösung ihrer selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk von der Ukraine. Der Abschuss der Kampfjets ist kein Einzelfall. Aufständische haben in den vergangenen Monaten mehrmals Flugzeuge sowie Hubschrauber und Transportflugzeuge zerstört. Die Regierung wirft den Separatisten auch vor, vor einem Monat die malaysische Boeing 777-200 mit einer Rakete abgeschossen zu haben. Dabei waren alle 298 Menschen an Bord umgekommen.

Im Streit um humanitäre Unterstützung für die Ostukraine erkannte die Führung in Kiew den seit Tagen anrollenden russischen Konvoi mit 280 Lastern offiziell als Hilfslieferung an. Sozialministerin Ljudmila Denissowa bestätigte dem Internationalen Roten Kreuz, dass die Lastwagen insgesamt fast 2000 Tonnen Lebensmittel, Schlafsäcke und Generatoren transportieren. Die Lastwagen waren am 12. August im Raum Moskau losgefahren und standen zum Großteil am Sonntag zunächst etwa 30 Kilometer vor der Grenze bei Kamensk-Schachtinski. 16 der Fahrzeuge erreichten den Übergang Donezk/Iswarino und wurden dort geparkt.

Es war weiter unklar, wann die Lastwagen den Grenzübergang durchfahren können. Das Internationale Rote Kreuz warte auf Sicherheitsgarantien für den Transport durch das umkämpfte ukrainische Territorium. Moskau wirft Kiew aber vor, die Hilfe mit bürokratischen Hürden zu blockieren. Die Lieferung ist für die Stadt Lugansk bestimmt. Etwa 200.000 Einwohner sind in der Separatistenhochburg seit zwei Wochen ohne Versorgung. Die Ukraine lehne den russischen Hilfskonvoi nicht ab, betonte Klimkin. Moskau müsse aber die Kontrolle über die Kolonne an der Grenze komplett dem Roten Kreuz übergeben.

In Lugansk nahmen ukrainische Soldaten nach heftigen Kämpfen im Bezirk Welika Wergunka eine Polizeistation ein. Die Regierung in Kiew wertete dies als möglichen Wendepunkt in dem Konflikt um die Ostukraine, der nach dem Anschluss der Halbinsel Krim an Russland im März seinen Lauf genommen hatte. Seit Wochen geht die Armee gegen die dort kämpfenden prorussischen Separatisten vor.