Ukraine-Konflikt müsse bald beendet werden. Russischer Hilfskonvoi nähert sich Grenze

Donezk/Jalta. Kremlchef Wladimir Putin hat bei einem Treffen mit Regierung und Abgeordneten auf der Krim ein Ende der erbitterten Gefechte in der Ostukraine gefordert. „Das Land ist in blutigem Chaos versunken, in einem mörderischen Bruderkrieg“, sagte er am Donnerstag auf der im März von Russland einverleibten Schwarzmeerhalbinsel. Die Lage in der Ukraine sei eine humanitäre Katastrophe. „Russland wird alles in seiner Macht stehende tun, um die Kämpfe so schnell wie möglich zu beenden“, betonte Putin vor den Politikern.

In seiner mit vier Stunden Verspätung im Kurort Jalta begonnenen Rede ging Putin auch auf Russlands Auseinandersetzung mit dem Westen ein. Der im Ukraine-Konflikt entbrannte Handelsstreit mit dem Westen bedeute nicht das Kappen aller Verbindungen, sagte er. „Aber wir sollten nicht zulassen, dass sie uns mit Verachtung behandeln.“ Die Anfang August verhängten Sanktionen Russlands verteidigte er als „rechtmäßig und begründet“. Der Kreml hatte ein weitreichendes Importverbot für Lebensmittel aus der Europäischen Union (EU), den USA, Norwegen, Kanada und Australien für ein Jahr verhängt. Das Einfuhrverbot werde dem Westen wehtun, sagte er. Der Westen hatte zuvor Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt.

Putin nannte zudem die Praxis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg ungerecht. Viele Entscheidungen seien politisch motiviert. Ein Ende der Zusammenarbeit sei möglich, stehe aber nicht auf der Tagesordnung. Russland gehört zu den Staaten mit den meisten Verurteilungen in Straßburg. Oft kommen die Klagen aus dem früheren Kriegsgebiet Nordkaukasus.

Es war Putins zweiter Besuch auf der Krim seit der Annexion der Schwarzmeerhalbinsel. Für die wirtschaftliche Entwicklung der vor allem bei Touristen beliebten Region stelle die Regierung bis 2020 mehr als 700 Milliarden Rubel (etwa 14,5 Milliarden Euro) zur Verfügung, sagte Putin. Überdies habe er der Aufstellung einer eigenen Militäreinheit für die Krim zugestimmt. Die Halbinsel ist seit mehr als 200 Jahren Sitz der russischen Schwarzmeerflotte.

Erstmals seit der Zuspitzung der Ukraine-Krise empfängt Putin am Freitag wieder einen europäischen Staatschef. Finnlands Präsident Sauli Niinistö erklärte, er wolle bei dem Besuch Kommunikationskanäle öffnen, komme aber nicht als Unterhändler. Russland ist für Finnland der drittgrößte Exportmarkt. Russische Importstopps als Reaktion auf westliche Sanktionen treffen Finnland daher ganz besonders.

In den Kämpfen mit Regierungstruppen geraten die prorussischen Separatisten in der Ostukraine unterdessen immer stärker in die Defensive. Die Armee nahm am Donnerstag die Rebellen-Hochburg Donezk unter heftigen Beschuss. Erstmals schlugen Granaten in unmittelbarer Nähe des Zentrums der Industriemetropole mit einst 900.000 Einwohnern ein. In der zweiten Rebellenhochburg Luhansk trat der Separatisten-Anführer Waleri Bolotow zurück und begründete dies mit einer Verwundung.

Ein russischer Hilfskonvoi aus 280 Lastwagen setzte seine Fahrt in Richtung ukrainischer Grenze fort. Reporter berichteten, die Kolonne sei auf dem Weg nach Rostow am Don. Von dort sind es etwa noch 60 Kilometer bis zur Ukraine. Zunächst blieb unklar, unter welchen Bedingungen die ukrainische Regierung den Konvoi ins Land lassen könnte. Ein hochrangiger Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) wollte am Donnerstag von Genf nach Kiew und Moskau reisen, um die Modalitäten des Grenzübertritts zu klären.

Zunächst hatte sich die Regierung in Kiew geweigert, die rund 280 Lastwagen ins Land zu lassen. Sie befürchtete, Russland wolle unter dem Vorwand humanitärer Unterstützung direkt in die Kämpfe eingreifen. Am Mittwochabend erklärte ein Sprecher des ukrainischen Präsidenten aber, sein Land sei mit der Lieferung in die Region Luhansk einverstanden, die an den russischen Verwaltungsbezirk Rostow grenzt. Dort wird die Grenze von Separatisten kontrolliert. Ein ukrainischer Militärsprecher bekräftigte, Bedingung sei, dass die Lastwagen von eigenen Sicherheitskräften und Vertretern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa überprüft würden. Die Verteilung der Güter soll demnach das Rote Kreuz koordinieren. Wegen der seit über vier Monaten anhaltenden Kämpfe sind in Luhansk und Donezk Lebensmittel und Wasser knapp. Die ukrainische Regierung hat angekündigt, einen eigenen Konvoi zur Versorgung der Bevölkerung zu entsenden.