Russland verlängert Aufenthaltsgenehmigung um drei Jahre. Der Ex-Geheimdienstler darf auch ins Ausland reisen. Die USA fordern seine Rückkehr

Moskau/Washington. Hungern muss der aus den USA geflüchtete Ex-Geheimdienstler Edward Snowden auch nach dem Importstopp für die Waren aus seiner Heimat nicht. Der 31-Jährige habe sich schon an die gute russische Küche gewöhnt, sagt sein Moskauer Anwalt Anatoli Kutscherena. Snowden sei bescheiden, lerne aktiv die russische Sprache, gehe selbst einkaufen, besuche das weltberühmte Moskauer Bolschoi Theater und die Hauptstadtmuseen. Und reisen darf der von den USA Gejagte nun erstmals auch.

Seine neue und gleich für drei Jahre gewährte Aufenthaltsgenehmigung erlaubt es ihm, Russland für bis zu drei Monate zu verlassen. Bleibt das Hindernis, dass die USA Snowdens Pass annulliert haben – und er sich deshalb aufwendig Reisedokumente beschaffen muss. Gleichwohl hat Snowden ein Jahr nach seinem von den USA heftig kritisierten vorläufigen Asyl nun in Russland mehr Freiheiten.

Es gibt diesmal auch keinen Appell mehr von Kremlchef Wladimir Putin, Snowden solle sich lieber mit Enthüllungen zurückhalten, um dem russisch-amerikanischen Verhältnis nicht zu schaden. Diese Warnungen sind ein Jahr alt. Und die Beziehungen zwischen Moskau und Washington sind – vor allem auch wegen des Ukraine-Konflikts – inzwischen an einem Tiefpunkt angekommen.

Kooperiert Snowden also jetzt vielleicht aus Dankbarkeit mit den russischen Geheimdiensten? Gibt er seine Informationen über die US-Spionagemethoden und brisante Inhalte an die Russen? Ihm sei nicht bekannt, dass Snowden mit russischen Aufklärern zusammenarbeite, sagt Kutscherena. Auch Ex-Geheimdienstchef Putin hatte stets betont, dass Snowden kein russischer Agent sei. Doch der Verdacht bleibt. Es gibt viele Ausländer, die deutlich länger in Moskau leben, aber die Privilegien eines dreijährigen Sonderstatus nicht bekommen. „Ein humanitärer Akt ist das“, sagt Kutscherena. Der Verfolgte erhalte Schutz in Russland – Schutz vor einem möglicherweise lebensgefährlichen Verfahren in den USA wegen Geheimnisverrats.

Zwar betont der Snowden-Anwalt immer wieder, dass Putin seine Hände nicht im Spiel habe. Der neue Status mit der Aufenthaltsgenehmigung sei allein seine, Kutscherenas Idee. Es gilt in Moskau aber als offenes Geheimnis, dass hier keine Entscheidung von weltpolitischer Tragweite ohne Putin getroffen wird.

Verzichtet haben die Russen aber immerhin auf den für die USA besonders peinlichen Affront, Snowden nun noch politisches Asyl zu gewähren. Darüber hätte laut Gesetz tatsächlich nur Putin entscheiden dürfen. Doch auch so inszeniert sich das wegen seiner Menschenrechtsverstöße international kritisierte Russland als Beschützernation für die freiheitlichen Grundrechte.

Der kremltreue Anwalt Kutscherena spricht aus, was auch Präsident Putin in der Vergangenheit angeprangert hatte: Die extreme Schnüffelei der USA missfalle den Menschen weltweit. Ausgerechnet Putin, dem als Ex-KGB-Offizier tiefste Verachtung für Geheimdienstverräter nachgesagt wird, hatte Snowden öffentlich für dessen Mut und hehre Ziele gelobt.

Auch im russischen Staatsfernsehen hatte der Kremlchef den US-Bürger benutzt, um die amerikanische Spionage anzuprangen, wie Bürgerrechtler kritisiert hatten. Die Arbeit der für ihre Schärfe berüchtigten russischen Spionageeinheiten ließ Putin dagegen mit Snowdens Hilfe als vergleichsweise harmlos darstellen. Das zeigt nach Meinung vieler Kommentatoren in Moskau, dass Putins System den Fall Snowden weiter besonders gern für die eigene Propaganda nutzt.

Vom russischen Staat bekomme der Gesuchte aber weder Schutz noch Wohnung, beteuert Kutscherena. Snowden verdiene sein eigenes Geld als IT-Experte und lebe auch von Spenden – beschützt von einem privaten Wachdienst. Wie es weitergehe, ob der Amerikaner nach fünf Jahren vielleicht sogar noch russischer Staatsbürger wird oder doch noch ausreise, entscheide Snowden selbst.

Kutscherena nutzt aber die Aufmerksamkeit der Weltmedien an diesem Donnerstag schon einmal, um auf seinen Snowden-Roman hinzuweisen, an dem er schreibe. Die „Zeit des Kraken“ („Time of the Octopus“) soll die Saga heißen. Die Rechte habe er schon dem US-Regisseur Oliver Stone („JFK“) verkauft.

Washington forderte erneut Snowdens umgehende Rückkehr in die USA. „Unsere Position hat sich nicht geändert“, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses. „Herr Snowden ist hier in den Vereinigten Staaten eines Verbrechens angeklagt. Er sollte so schnell wie möglich in die USA zurückkehren, wo ihm ein fairer Prozess und Schutz gewährt werden.“

Snowden hatte die Überwachungspraktiken des US-Geheimdienstes NSA enthüllt. Er lebt seit Juni 2013 nach einer wochenlangen Zitterpartie auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo dauerhaft in der russischen Hauptstadt. Der Fall belastet die ohnehin gespannten russisch-amerikanischen Beziehungen. US-Präsident Barack Obama hatte 2013 im Streit um Snowden ein Treffen mit Putin abgesagt.