Westen wirft Russland vor, mit Aufmarsch Spannungen im Ukraine-Konflikt zu verstärken

Washington/Kiew. Die Tonlage im Ukraine-Konflikt verschärft sich. Der Westen wirft Russland vor, eine „gefechtsbereite Streitmacht“ an der Grenze zum krisengeschüttelten Nachbarland zusammengezogen zu haben. Bis zu 21.000 Soldaten habe Moskau dort in den vergangenen Wochen aufmarschieren lassen, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf westliche Regierungsvertreter. Demnach hat Russland Infanterie, Artillerie und Luftabwehr an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Mit dem Aufmarsch könnten russische Einheiten mit wenig Vorwarnung grenzüberschreitend aktiv werden, hieß es. Die Ukraine sprach sogar von 45.000 russischen Soldaten an ihrer Grenze.

Russland hatte zuletzt einen massiven Beschuss seiner Grenze von ukrainischem Territorium aus kritisiert. Dabei starb mindestens ein Mensch, mehrere Gebäude wurden zerstört. Außerdem begründete Moskau in der Vergangenheit die Truppenkonzentration damit, auf diese Weise Nachschub für prorussische Separatisten in der Ukraine verhindern zu wollen. Als Reaktion auf westliche Sanktionen könnte Russland europäischen Airlines den Überflug über sein Territorium verbieten, berichtete die Moskauer Tageszeitung „Wedomosti“. Ein entsprechender Schritt werde im Transport- und im Außenministerium geprüft, hieß es.

Die Lage für die Bevölkerung in den ostukrainischen Großstädten Lugansk und Donezk wird derweil immer dramatischer. Nach wochenlangen Kämpfen seien in Lugansk etwa 250.000 Menschen ohne Wasser und Strom, teilten die örtlichen Behörden mit. Sie sprachen von einer „humanitären Katastrophe“. Bei tagelanger Hitze habe auch die Müllabfuhr den Dienst eingestellt. Im benachbarten Donezk versuchten nach einem dringenden Appell der Armee immer mehr Menschen, die Stadt zu verlassen. Beobachter schließen eine Bombardierung nicht aus. Die ukrainische Armee zog ihren Belagerungsring um die Millionenstadt erneut enger. Die Regierungskräfte würden eine massive Offensive vorbereiten, sagte Andrej Lyssenko vom nationalen Sicherheitsrat in Kiew. „Der Angriff ist noch nicht in Gang, aber wir bereiten die Befreiung von Donezk vor.“

Trotz andauernder Gefechte in der Ostukraine setzten Helfer am Absturzort des malaysischen Flugzeugs MH17 ihre Suche nach Leichenteilen und privaten Gegenständen der 298 Opfer fort. An dem riesigen Trümmerfeld bei Grabowo seien etwa 110 Experten aus den Niederlanden, Australien und Malaysia eingetroffen, teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit. Wegen der nahen Kämpfe zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten hätten die Experten aus Sicherheitsgründen am Montag nur 90 Minuten am Absturzort arbeiten können, hieß es.

Angesichts zunehmender Spannungen in der Region unterstrich Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Geschlossenheit des westlichen Verteidigungsbündnisses. „Die Nato ist entschlossen, alle Verbündeten gegen jederlei Bedrohung zu verteidigen“, sagte er.