Das Scheitern der Nahost-Mission des US-Außenministers belastet das Verhältnis zwischen Jerusalem und Washington

Jerusalem/Washington. Im Verhältnis zwischen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und US-Präsident Barack Obama hat die Chemie nie wirklich gestimmt. Der Krieg in Gaza hat die Spannungen zwischen den Regierungen der eng verbündeten Staaten verschärft, und mittlerweile liegen die Nerven blank.

Als US-Außenminister John Kerry Ende letzter Woche in die Region aufbrach, um im blutigen Gaza-Konflikt zu vermitteln, kam dies der israelischen Führung eher ungelegen. Israels Militär wollte zu diesem Zeitpunkt die Operationen in Gaza noch nicht beenden. Es brauche noch Zeit, hieß es, um die gefährlichen Tunnel der Hamas auszuschalten. Diese reichen bis in israelisches Staatsgebiet hinein und werden von der Hamas für Überfälle auf grenznahe israelische Orte genutzt.

Der ungebetene Friedensbote aus Washington wurde offenbar zum lästigen Ärgernis. Jemand steckte dem Top-Journalisten Barak Ravid von der Tageszeitung „Haaretz“ Kerrys Entwurf einer Waffenstillstandsvereinbarung zu. Das vertrauliche Papier war nach Beratungen mit Vertretern der Hamas-freundlichen Regierungen von Katar und der Türkei entstanden. Es beinhaltete auch die Positionen der Islamisten. Vieles davon ist für Israel derzeit tatsächlich unannehmbar.

In seinem Beitrag veröffentlichte Ravid nicht nur Details aus Kerrys Papier, sondern erweckte auch den Eindruck, als sei dies das letztgültige Friedensangebot des US-Außenministers. Auch geizte der Autor nicht mit süffisanten Kommentaren: Der Vorschlag Kerrys sei „surrealistisch“, der Chef der amerikanischen Diplomatie gleiche einem „Außerirdischen, der mit seinem Raumschiff gerade im Nahen Osten gelandet ist“.

Im glücklos wirkenden US-Außenminister fand Israels Öffentlichkeit den idealen Sündenbock. Hinterbänkler der an der Regierung beteiligten populistischen Partei Das Jüdische Haus traten noch nach. „Kerry steht immer wieder auf der Seite der islamistischen Achse des Bösen“, sagte die Knesset-Abgeordnete Orit Strock.

In Washington zeigte man sich sichtlich gereizt über Jerusalem. „Aus unserer Sicht ist das einfach nicht die Art, wie Partner und Verbündete miteinander umgehen“, sagte die Sprecherin des Außenamtes, Jen Psaki, verärgert. Der Vize-Sicherheitsberater im Weißen Haus, Antony Blinken, beschwor die gute Absicht des Gescholtenen: „Israel hat keinen besseren Freund, keinen größeren Verteidiger als John Kerry“, erklärte er.

Das Verhältnis zwischen Obama und dem seit 2009 amtierenden Netanjahu gilt ohnehin als schwierig. Der US-Präsident nehme es dem Premierminister übel, dass er sich immer wieder an Schwergewichte in der Republikanischen Partei wende, wenn er beim demokratischen Präsidenten mit seinen Begehrlichkeiten nicht durchkomme, analysieren israelische Kommentatoren. Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2012 unterstützte der Israeli offen Obamas republikanischen Gegenkandidaten Mitt Romney.

Spannungsgeladen soll auch das Telefonat gewesen sein, das Obama unmittelbar nach der Kerry-Mission mit Netanjahu führte. Gegenüber dem Verbündeten soll Obama ungewöhnlich harsch und fordernd aufgetreten sein. „Gestützt auf Minister Kerrys Vorschlag stellte der Präsident klar, dass die Etablierung eines sofortigen, bedingungslosen humanitären Waffenstillstands ein strategisches Gebot ist“, hieß es in dem Protokoll des Telefonats – einem weiteren internen Papier, das an die Medien durchsickerte.

Inzwischen bemühen sich beide Seiten um Schadensbegrenzung. Der veröffentlichte Text weise „mit dem tatsächlichen Telefonat keinerlei Ähnlichkeit“ auf, hieß es in einer Mitteilung des US-Sicherheitsrates. Das Bonmot des israelischen Journalisten Zion Nanous scheint es aber trotz allem auf den Punkt zu bringen: „Nur in Israel können Regierungsmitglieder den US-Präsidenten verfluchen, den US-Außenminister lächerlich machen und gleichzeitig um eine weitere Viertelmilliarde Dollar für das Raketenabwehrsystem Eisenkuppel bitten.“