Ankara. Bei einer landesweiten Großrazzia gegen mutmaßliche Regierungsgegner in der Türkei sind am Dienstag mehr als 60 ranghohe Polizisten festgenommen worden. Türkische Medien sprachen von einem gezielten Schlag gegen die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen.

Ermittlungsbehörden hatten 115 Haftbefehle ausgestellt, von denen 67 vollstreckt werden konnten. Allein 40 derzeitige und frühere Führungskräfte der Polizei wurden in Istanbul festgenommen, darunter zwei ehemalige Leiter der städtischen Anti-Terror-Einheit, Yurt Atayun und Ömer Köse. Atayun bezeichnete seine Verhaftung als „politisch motiviert“. Gleichzeitig gab es Razzien in 22 Städten. Durchsucht wurden auch Objekte in der Hauptstadt Ankara sowie in Izmir und Diyarbakir.

Den Festgenommen werden Spionage, illegale Telefonüberwachung, Dokumentenfälschung, Verletzung der Privatsphäre, Beweisfälschung sowie die Preisgabe von Ermittlungsinformationen vorgeworfen. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden sollen Tausende Zielpersonen abgehört worden sein, darunter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, etliche Minister und der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan.

Zusätzliche Brisanz erhält die Razzia durch die bevorstehende Präsidentschaftswahl am 10. August, bei der sich Erdogan ins höchste Staatsamt wählen lassen will. Seine islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) trägt einen Machtkampf aus mit der Bewegung des im US-Exil lebenden Gülen, der besonders in Justiz und Polizei über zahlreiche Ergebene und landesweit sogar über Millionen Anhänger verfügen soll.

Erdogan hatte erst vor Kurzem in einem Fernsehinterview angekündigt, den Kampf gegen die Gülen-Bewegung „ohne Atempause“ fortzusetzen. Als einstige Verbündete hatten Erdogan und Gülen die politische Landschaft der Türkei verändert, die jahrzehntelang von säkularen Regierungen und der mächtigen Armee geprägt worden war. Weil ihm ein Prozess drohte, setzte sich Gülen 1999 schließlich in die Vereinigten Staaten ab. Er bestreitet jedoch, hinter den Korruptionsvorwürfen gegen Erdogans Regierung zu stehen und einen verschwörerischen „Parallelstaat“ aufgebaut zu haben.