Dramatischer Appell von Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon an Israelis und Palästinenser. Deutsche Staatsangehörige in Gaza getötet

Tel Aviv. Bei den israelischen Angriffen im Gazastreifen ist auch eine siebenköpfige Familie mit deutscher Staatsangehörigkeit getötet worden. „Wir müssen aufgrund mehrfacher Hinweise davon ausgehen, dass es sich bei den Toten um diese Familie handelt“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Dienstag in Berlin. Offiziell bestätigt wird der Tod von Deutschen im Ausland in der Regel erst, wenn ein deutscher Beamter oder Diplomat die Toten gesehen hat.

Nach palästinensischen Angaben handelt es sich bei den Toten um den 53-jährigen Ibrahim al-Kilani aus Beit Lahia im nördlichen Teil des Palästinensergebiets sowie seine 47-jährige Frau Taghrid und fünf Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren. Die Familie sei am Montagabend bei einem Luftangriff auf ein Gebäude in der Stadt Gaza umgekommen.

Sein Neffe Raed al-Kilani sagte, der Ingenieur sei vor 20 Jahren nach Deutschland gezogen. Er habe dort an der Universität Siegen studiert und in Hessen gelebt. Seine erste, geschiedene Frau sei Deutsche. Al-Kilani habe mit ihr zwei Kinder, die noch in Deutschland lebten. In der Zeit in Deutschland habe er die Staatsangehörigkeit für sich und dann auch seine Angehörigen erworben. Vor 13 Jahren sei er in seine Heimat zurückgekehrt.

Auf israelischer Seite kamen 27 Soldaten und zwei Zivilisten ums Leben, mehr als 120 Soldaten wurden nach Medienberichten verletzt. Etwa 20.000 Israelis nahmen am Begräbnis eines Soldaten in Haifa teil, der bei Gefechten im Gazastreifen getötet worden war. Der 21-jährige Sean Carmeli war auch US-Staatsbürger.

Unterdessen haben die israelischen Streitkräfte einen Soldaten als vermisst eingestuft. Die Chancen, dass der Vermisste noch lebe, seien aber äußerst gering. Bisher hatte die Armee den Behauptungen der Hamas, einen Soldaten entführt zu haben, entschieden widersprochen. In der Nacht zum Sonntag hatten Kämpfer der Hamas einen israelischen Transportpanzer mit Panzerabwehrraketen angegriffen und zerstört. Bei dem Angriff sollen sieben israelische Soldaten ums Leben gekommen sein. Nach zwei Tagen konnte aber nur die Identifizierung von sechs der Insassen abgeschlossen werden.

Die Armee sagt, die Bemühungen um eine Identifizierung des siebten Soldaten gingen noch weiter. Es handele sich um den Soldaten Oron Schaul, hieß es. Die Hamas hatte am Sonntag die Entführung eines Schaul Aron bekannt gegeben – allerdings kann die Schreibweise von Aron und Oron im Hebräischen identisch sein. Es ist also wohl auch nicht auszuschließen, dass es der Hamas gelungen sein könnte, die Leiche eines Soldaten aus dem zerstörten Fahrzeug in ihre Gewalt zu bringen.

Die israelische Armee setzte am Dienstag die Bombardierungen im Gazastreifen fort. Die Zahl der palästinensischen Opfer stieg nach Angaben von Ärzten auf fast 550, davon nahezu 100 Kinder. Auf israelischer Seite starben bisher 27 Soldaten und zwei Zivilisten. Anzeichen für eine Ende der Kämpfe gab es nicht. Auch am 15. Tag des Konflikts stiegen über dem Landstrich Rauchwolken auf. Auf die israelischen Angriffe reagierte die Hamas mit neuen Raketenabschüssen. In Tel Aviv und anderen Städten heulten die Sirenen. Nach Behördenangaben wurden bei einem Einschlag zwei Menschen verletzt. Die US-Luftfahrtbehörde FAA untersagte amerikanischen Fluggesellschaften wegen der Raketengefahr für 24 Stunden alle Flüge nach Tel Aviv.

Unter dem Eindruck wachsender Opferzahlen im Gazastreifen bemühen sich die Vereinten Nationen und die USA um eine schnellstmögliche Waffenruhe im Nahen Osten. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon und US-Außenminister John Kerry verstärkten am Dienstag ihre Vermittlungsbemühungen zunächst in Ägypten. Bei einem gemeinsamen Gespräch der beiden Diplomaten, sagte Kerry in Kairo, die Probleme seien „sehr kompliziert“. Der US-Außenminister und die Arabische Liga riefen die Hamas auf, einer von Ägypten vermittelten Feuerpause zuzustimmen, um weitere zivile Opfer zu verhindern. Israel hatte dem in der vergangenen Woche von Kairo unterbreiteten Vorschlag zugestimmt, die Hamas nicht.

Nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Tel Aviv, sagte Ban, er habe an Israelis und Palästinenser dieselbe Botschaft: „Hört auf zu kämpfen, fangt an zu reden.“ Die Ursachen des Konflikts in der Region müssten an der Wurzel gepackt und aufgearbeitet werden, damit die Situation „in den kommenden sechs Monaten oder einem Jahr“ nicht noch dieselbe sei, sagte Ban.

Der Uno-Generalsekretär begutachtete nach eigenen Angaben in Tel Aviv auch Foto- und Videomaterial zu den Raketenangriffen auf Israel durch die radikalislamische Hamas. Alle Länder hätten die „Verpflichtung zum Schutz“ ihrer Bürger, sagte er. Dabei müsse Israel aber „maximale Zurückhaltung“ üben, betonte er vor dem Hintergrund der zahlreichen palästinensischen Opfer. Kerry forderte die Hamas auf, in einen Waffenstillstand einzuwilligen. Eine von Kairo vermittelte Waffenruhe war von der Hamas abgelehnt worden. Das Abkommen sei aber noch immer ein möglicher „Rahmen“ für ein Ende der Gewalt, sagte Kerry.

Washington sagte den notleidenden Zivilisten im Gazastreifen umgerechnet 35 Millionen Euro an humanitären Hilfen zu. Nach Schätzungen der Uno sind mehr als 100.000 Menschen im Gazastreifen vor den Kämpfen auf der Flucht.