Im Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt fehlt es an Medikamenten und Verbandszeug. Die Ärzte müssen improvisieren

Gaza-Stadt. Selbst mitten im Chaos der Kämpfe zeigt sich noch so etwas wie Ordnung im Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. Nach Panzerangriffen der israelischen Armee werden eilig Verletzte hineingebracht. Überall sind Schreie zu hören. Eine Frau weint hysterisch, ein Mann hält wehklagend sein Kind im Arm.

Und doch versuchen die Ärzte, die Nerven zu behalten, rationale Entscheidungen zu treffen. Wer braucht sofort Hilfe? Wer kann einen Moment warten? Wer muss in einen der sechs OP-Säle? Wer wird direkt auf einem der Krankenhausflure behandelt? „Manchmal muss man auswählen, wer die besten Überlebenschancen hat“, sagt Arzt Allam Najef. „Schnell entscheidet man in dieser Hetze falsch. Man denkt, einer wird auf dich warten, aber dann ist er nicht mehr da, wenn du eine andere Operation beendet hast.“

In dieser Nacht der Gefechte zwischen israelischen Soldaten und der Hamas um das Viertel Sadschaija wird ein Patient mit schweren Hirnverletzungen eingeliefert. Seine Prognose ist schlecht. Alles, was Dr. Najef tun kann, ist ihn zu stabilisieren. Eine junge Frau hat einen gebrochenen Arm und blutet. Mehr als 3000 Palästinenser sind seit Beginn der Kämpfe bei den israelischen Angriffen verletzt worden, heißt es in Mitteilungen aus dem Gazastreifen. Viele der Verletzten wollen im Schifa behandelt werden.

Bei Stromausfall ersetzen die Lampen von Handys die OP-Saal-Beleuchtung

Das Hospital für 600 Patienten ist das größte Krankenhaus im Gazastreifen. Die Ärzte und Krankenschwestern sind Meister im Improvisieren geworden. „Was machen die Palästinenser, wenn während einer Operation der Strom ausfällt?“, fragt Mads Gilbert, ein norwegischer Arzt, der freiwillig im Hospital arbeitet. „Sie nehmen ihre Mobiltelefone und nutzen das Licht, um das OP-Feld zu beleuchten.“

Die Ärzte arbeiten in 24-Stunden-Schichten. Ein Lager mit einem alten Sofa dient ihnen als Ruheraum. Schon vor Beginn des Krieges war die Not im Gazastreifen groß. Es fehlte fast an allem – an Medikamenten, Verbandszeug, Ersatzteilen. Die Engpässe im Krankenhaus sind auch eine Folge des jahrelangen israelisch-palästinensischen Konflikts und der Rivalität zwischen Hamas und dem vom Westen unterstützen Präsidenten Mahmud Abbas. Eigentlich sah der 2012 verhandelte Waffenstillstand eine Lockerung der nahezu vollständigen Blockade vor. Die Waffenruhe hielt weitestgehend, doch die Beschränkungen blieben.

Gilbert, der norwegische Arzt, hilft mehrmals im Jahr im Schifa-Krankenhaus aus. Diesmal hat er Scheinwerfer für die OP-Säle mitgebracht. Auch die stehen auf der Liste der Gegenstände, die nicht eingeführt werden dürfen. Gilbert fühlt eine starke Bindung zu seinen palästinensischen Kollegen. Er sagt, sie leisteten gute Arbeit unter den besonderen Gegebenheiten, auch wenn sie sich von aller Welt verlassen fühlen. „Ich bin kein Held“, sagt der 67-jährige norwegische Arzt. „Diese Leute sind die wahren Helden. Denn wir gehen, und sie bleiben zurück“.

Die Bewohner von Gaza sind gespalten in Anhänger der radikalen Hamas und der Fatah-Bewegung, die Präsident Abbas unterstützt. Auch die Mitarbeiter des Krankenhauses sind in zwei Gruppen geteilt. Wer vor der Hamas-Übernahme eingestellt wurde, bezieht weiter Gehalt von der palästinensischen Autonomiebehörde. Die anderen Mitarbeiter, die erst seit 2007 im Schifa arbeiten, haben wegen der schweren Krise in Gaza seit mehreren Monaten kein Geld mehr bekommen. „Die Krise hat viele Kollegen näher zusammengebracht“, erzählt Allam Najef, der auch schon seit Monaten kein Geld mehr bekommen hat. „Wenn wir nur für das Gehalt arbeiten würden, wäre keiner von uns mehr hier“, fügt er hinzu. „Wir sind hier, um unsere Patienten zu betreuen, unsere Familien.“