Zahlreiche Tote auf beiden Seiten während Israels Bodenoffensive im Palästinensergebiet

Gaza/Tel Aviv. Israels Bodenoffensive im Gazastreifen weitet sich zu einem Häuserkampf mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten aus. Am bislang blutigsten Tag der jüngsten israelischen Militäroperation beklagten die Palästinenser 87 Tote. Allein im Stadtteil Sadschaija habe es am Sonntag 60 Tote gegeben, darunter viele Frauen und Kinder. Die Gesamtzahl palästinensischer Todesopfer stieg auf 430. In Sadschaija wurden am Sonntag auch 13 Soldaten einer israelischen Eliteeinheit im Gefecht mit Kämpfern der radikalislamischen Hamas getötet. Seit Beginn der Bodenoffensive am Donnerstagabend kamen insgesamt 18 israelische Soldaten ums Leben.

Augenzeugen sprachen von Dutzenden Toten, die auf den Straßen von Sadschaija lagen. Ein israelischer Militärsprecher bezeichnete den Stadtteil als „Hochburg der Hamas“. „Die israelischen Truppen wurden beim Vorrücken von allen Seiten mit Maschinengewehren und Panzerfäusten beschossen“, sagte er. Die Armeeführung zeigte sich trotz der schweren Verlusten in den eigenen Reihen unbeirrt. „Wir sind fest entschlossen“, sagte Generalstabschef Benny Ganz am Abend. „Es tut mir sehr leid, wenn Zivilisten auf der anderen Seite getötet werden. Aber wir haben die moralische Pflicht, unsere Bürger zu schützen.“ Israel habe vor den Angriffen immer wieder gewarnt und die Bevölkerung dazu aufgefordert, das Viertel Sadschaija zu verlassen. Rund 130.000 Einwohner des Gazastreifens haben nach Angaben einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation seit Beginn der israelischen Offensive ihre Wohnhäuser verlassen.

Eine vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vermittelte Feuerpause hielt am Sonntag nur kurz. Die zweistündige Kampfunterbrechung hätte dazu dienen sollen, die Leichen in Sadschaija zu bergen. Die israelische Armee gab bekannt, dass ihre Soldaten in Sadschaija zehn Tunneleingänge gefunden hätten. Die Hamas nutzt die Tunnel als Verstecke für ihre Waffen sowie auch zu Vorstößen auf israelisches Gebiet. Ein Hamas-Kommado war zuvor durch einen Tunnel auf israelisches Gebiet vorgedrungen und hatte zwei israelische Soldaten getötet. Hamas-Kämpfer haben außerdem nach eigenen Angaben einen Soldaten in ihre Gewalt gebracht. „Der israelische Soldat Schaul Aaron ist in den Händen der Essedin-al-Kassam-Brigaden“, sagte ein Sprecher der Brigaden im Fernsehen. Die Essedin-al-Kassam-Brigaden sind der bewaffnete Arm der Hamas.

Militante Palästinenser setzten den Beschuss Israels fort. Eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete traf am Wochenende ein Haus in einem Beduinendorf nahe der südisraelischen Stadt Dimona. Ein 32 Jahre alter Mann starb.

Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi warf Israel vor, in Gaza ein „Massaker“ anzurichten. Es übe mit seiner Offensive „Staatsterrorismus“ aus. Der türkische Ministerpräsident Reccep Tayyip Erdogan verglich Israels Vorgehen mit den Gräueln des Nazi-Diktators Adolf Hitler.

Derweil beginnen diplomatische Bemühungen: Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon begann am Sonntag in der katarischen Hauptstadt Doha eine Vermittlungsmission. „Israel muss viel mehr tun, um Zivilisten zu schützen“, sagte Ban. Mit Blick auf die Angriffe auf Sadschaija fügte er an: „Ich verurteile diese grauenvolle Aktion.“ Nach Uno-Angaben will Ban danach nach Kuwait, Kairo, Jerusalem, Ramallah im Westjordanland und in die jordanische Hauptstadt Amman reisen.

US-Außenminister John Kerry wird voraussichtlich in Kürze in den Nahen Osten fliegen. Er glaube, dass ihn Präsident Barack Obama kurzfristig entsenden werde, um an einem Waffenstillstand zu arbeiten, sagte Kerry dem Sender CNN. Nach einem Bericht der israelischen Zeitung „Haaretz“ könnte Kerry schon am Montag in der Region eintreffen.