Statistisch leben hier drei Einwohner pro Quadratkilometer. Regierung geht dennoch kompromisslos gegen Bootsflüchtlinge vor

Canberra. Australien jagt Asylsuchende auf hoher See davon. Die Regierung verteidigt ihre erfolgreiche Abwehrpolitik, viele Australier finden das okay, aber Menschenrechtler sind empört. „Stop the boats“ (Stoppt die Boote der Flüchtlinge) – versprach Regierungschef Tony Abbott im Wahlkampf. Das setzt der konservative Politiker nun kompromisslos um.

Der Kontinent ist dünn besiedelt: Gerade mal drei Einwohner verlieren sich statistisch auf jedem Quadratkilometer. Allerdings sind fast 20 Prozent der 7,7 Millionen Quadratkilometer Fläche Wüste, ein großer Teil des Landes ist knochentrocken und nicht erschlossen. 90 Prozent der 22 Millionen Einwohner leben in Städten. Trotzdem: Hat Australien wirklich keinen Platz für neue Mitbürger?

Abbotts Regierung sagt: „Nein, nicht für solche, die versuchen, mit Flüchtlingsbooten nach Australien zu gelangen.“ Das Land nimmt zwar im Jahr etwa 20.000 Menschen aus humanitären Gründen auf. Zwei Drittel davon sind aber bereits außerhalb der Grenzen anerkannte Flüchtlinge, die eine neue Bleibe brauchen. Gerade hat die Küstenwache ein Boot auf hoher See gestoppt, die 41 Menschen an Bord als Flüchtlinge abgelehnt und der Marine des Heimatlandes Sri Lanka übergeben. „So stoppt man Boote“, sagte Einwanderungsminister Scott Morrison im Rundfunk zufrieden. „Das funktioniert.“ Mitte Juni feierte Morrison mit Abbott ein kleines Jubiläum: Sechs Monate, ohne dass ein einziges Flüchtlingsboot die Küste erreichte.

Das Verhalten der konservativen australischen Regierung sorgt auch im eigenen Land für Ärger. „Schamlose Verstöße gegen die internationale Flüchtlingskonvention“ nennt das der Refugee Council, ein Dachverband jener Organisationen, die Flüchtlingen helfen. Alastair Nicholson, früher Vorsitzender eines Familiengerichts, ist außer sich. „Abbotts Regierung nutzt Taktiken totalitärer Regime“, sagte er im Juni. „Sie agiert im Verborgenen und legt ein falsches Mäntelchen militärischer Notwendigkeit darüber. Goebbels, Stalin und ähnliche Typen wären stolz.“ Im Vergleich zu dem, was Europa an Flüchtlingsströmen erlebt, ist das Problem in Australien recht überschaubar. Nach einem Parlamentsbericht kamen in den zwölf Monaten bis Mitte 2013 insgesamt 25.173 Menschen in Australien an. In den 28 EU-Ländern wurden im vergangenen Jahr 335.000 neue Asylanträge gestellt. Leute, die zu Hause mit Verfolgung und Tod rechnen müssten, hätten selten eine andere Wahl, als sich Menschenschmugglern auszuliefern, meint die Hilfsorganisation Refugee Council. Die meisten Asylsuchenden in Australien kommen nach Angaben des Councils aus dem Iran, Afghanistan und Sri Lanka – wo Tausende verfolgt würden und in Angst um ihr Leben lebten. Auch die australische Vorgänger-Regierung argwöhnte allerdings, dass die Menschen nur ein besseres Leben suchten. Dafür sollten sie sich in ihrer Heimat um Einwanderungsvisa nach Australien bemühen, hieß es. Sie finanzierte in armen Nachbarländern wie Papua-Neuguinea und auf der Insel Nauru Auffanglager für Asylsucher. Nur Anerkannte durften nach Australien übersiedeln. Auch das will Abbott aber verhindern. Wer Asyl brauche, könne ja in Papua-Neuguinea unterkommen, meint er.

Die von der Regierung finanzierte Menschenrechtskommission hält sich bedeckt. In einem Bericht über Asylsucher schreibt sie, Australien nehme nur 2,2 Prozent der weltweit Asylsuchenden auf. „Ich rufe die Regierung auf, Asylsuchende und Flüchtlinge menschlich zu behandeln“, mahnt Präsidentin Gillian Triggs darin. Während die Debatte über die abgewiesenen Flüchtlinge tobt, preist die Kommission nur ihren baldigen Workshop über Redefreiheit an. Um Wählerstimmen braucht Abbott sich nicht zu sorgen: Zwei Drittel finden seine Asylpolitik nach einer Umfrage gut.