Der Besuch von Xi Jinping in Seoul ist auch ein Signal an das stalinistische Regime von Machthaber Kim Jong-un

Seoul. Der Besuch des chinesischen Staatschefs Xi Jingping in Südkorea hat historische Dimension – und bringt das stalinistische Regime in Nordkorea in eine knifflige Lage. Zwar haben sich die Beziehungen zwischen den einstigen Kriegspartnern China und Nordkorea in den vergangenen Jahren deutlich verändert, doch noch unterhält Peking weitreichende Bindungen zum Norden. Mit Xis zweitägigem Trip in den Süden der Halbinsel dürfte sich deshalb nach Ansicht von Beobachtern die nordkoreanische Führung um den jungen Machthaber Kim Jong-un düpiert fühlen: Xi bricht mit der Tradition, dass ein chinesischer Präsident zunächst Nord- und nicht Südkorea besucht.

In Seoul wird deshalb angenommen, dass Nordkorea mit Raketentests in den vergangenen Tagen nicht nur Stärke demonstrieren wollte. Auch Missfallen über das chinesische Verhalten sollte zum Ausdruck kommen. Zwar will China von einer Verbindung zwischen dem Besuch Xis und den Raketenstarts nichts wissen. Doch Südkorea und die USA sehen in den Tests auch die Absicht Pjöngjangs, die angespannte Situation weiter zu verschärfen. Im März hatte Nordkorea nicht nur verschiedene Raketen getestet, sondern auch mit einem neuen Atomtest gedroht.

Bei ihrem Treffen am Donnerstag sprachen sich Xi und Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye einmal mehr deutlich gegen Atomwaffen auf der koreanischen Halbinsel aus. Xis Besuch werde auch ein klares Signal an Nordkorea senden, sein Atomprogramm abzubauen, meinte Park.

Angesichts des komplizierten Dreiecksverhältnisses zwischen China, Südkorea und Nordkorea gestaltet sich jedoch die Suche nach einer Lösung des Konflikts mit Pjöngjang schwierig. „Der Atomstreit mit Nordkorea ist ein brisanter Faktor, der ein Risiko gegensätzlicher strategischer Sicherheitsinteressen zwischen beiden Ländern offenbart“, schreibt der südkoreanische Experte Chung Jae-hung vom Institut für Fernost-Studien an der Kyungnam-Universität zum Besuch Xi Jingpings in Südkorea.

Ungeachtet des Kampfs der Großmächte um Macht und Einfluss in der Region wollen die USA und Südkorea unbedingt mit China und Russland die Nordkoreaner von ihrer Kernwaffenentwicklung abbringen. „Wir sollten China klarmachen, dass die Beziehungen zwischen Seoul und Peking keinen Fortschritt machen ohne eine Lösung der nordkoreanischen Atomkrise“, forderte der frühere südkoreanische Sicherheitsberater im Präsidialamt, Chung Yong-woo.

Zwar gibt es immer wieder Berichte, dass sich auch China auf einen Zusammenbruch Nordkoreas vorbereite. Für Peking wäre allerdings ein Kollaps des Nachbarn riskant. Dann bestünde die Möglichkeit, dass bei einer Wiedervereinigung mit Südkorea die dort stationierten US-Truppen bis zur chinesischen Grenze vorrücken.

China ist aus Eigeninteresse an größtmöglicher Stabilität in der Region interessiert. So bemüht sich Peking seit Langem um neue Mehrparteiengespräche über Nordkoreas Atomprogramm. Doch während Südkorea und die USA zunächst Abrüstungsschritte Nordkoreas sehen wollen, fordert Peking von allen Seiten größere Flexibilität. China ist zwar wegen der Atom- und Raketentests immer mehr auf Distanz zu Pjöngjang gegangen. Peking wird jedoch nicht offen mit Nordkorea brechen, sind sich Experten einig.

Xis Besuch in Südkorea zeigt auch, wie wichtig beide Länder einander als Handelspartner geworden sind. China ist Südkoreas größter Handelspartner. Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen sollen bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Während Kim Jong-un immer noch auf eine Einladung nach Peking wartet, war es bereits das fünfte Treffen zwischen Park und Xi seit dem Amtsantritt der südkoreanischen Staatschefin im Februar 2013.