Britischer Premierminister steuert im Fall Juncker auf eine Niederlage zu

London. „Cameron macht Ernst – England tritt aus WM aus“ – die Europapolitik von Großbritanniens Premierminister David Cameron hat Scherzkekse im Internet schon zu Allerlei Schabernack angestiftet. Tatsächlich steht der konservative Regierungschef mit seiner Kampagne gegen den Luxemburger Jean-Claude Juncker wieder einmal so ziemlich allein auf weiter Flur. Die Downing Street kündigte an, Cameron wolle am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel eine Kampfabstimmung herbeiführen.

Großbritannien wird dann als möglicherweise einziger der 28 Mitgliedsstaaten gegen Juncker votieren – so wie beim Fiskalpakt-Gipfel im Dezember 2011. Halb Europa fragt sich: Was bezweckt Cameron eigentlich mit seiner Einer-gegen-alle-Politik, bei der er sogar mit dem EU-Austritt seines Landes droht?

Zumal der Flaschenhals, aus dem eine für Großbritannien halbwegs annehmbare Lösung im Brüsseler Personalpoker herauskommen könnte, immer enger wird. Deutschland hat sich mit Günther Oettinger gerade auf seinen Kommissarsposten festgelegt, der SPD-Politiker Martin Schulz soll Parlamentspräsident bleiben. Als Nachfolger Herman Van Rompuys als EU-Ratspräsident ist Dänemarks Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt im Gespräch. Der Posten des EU-Außenbeauftragten – derzeit von der Britin Catherine Ashton besetzt – dürfte London nicht genügen. Den Platz zu behalten, wäre zu Hause schwer als Erfolg zu verkaufen.

Die Niederlage im Juncker-Streit führt Cameron bewusst herbei. Die Frage war ihm aus innenpolitischen Überlegungen heraus offenbar so wichtig, dass er ein risikoreiches Gefecht begonnen hat, dass er nicht gewinnen konnte. Dabei lehnte er sich so weit aus dem Fenster, dass er jetzt nicht mehr zurückkann.

Im Klartext: Wenn Cameron sein selbst gestecktes Ziel, Juncker zu verhindern, nicht annähernd durchsetzen kann, wird ihm auf der Insel kaum jemand abnehmen, dass er das britische Verhältnis zur EU erfolgreich neu verhandeln kann. Zumal es längst nicht nur um die Person geht. Das Verfahren, mit europaweit gewählten Spitzenkandidaten Top-Posten zu besetzen, ist für Cameron ein Schritt hin zum Bundesstaat Europa – ein Schreckgespenst für die national denkenden Briten und ein Schritt zurück bei den Reformbemühungen.