In Halabdscha im Nordirak tötete der Diktator einst Tausende Kurden mit Giftgas. Heute ist sie die „Stadt der Dschihadisten“

Erbil. Es sei ein herrlicher Tag gewesen, sagen Menschen, die damals am 16. März dabei waren. Um 10.45 Uhr begann der Angriff. Kampfflugzeuge näherten sich Halabdscha, kreisten über der Stadt mit 70.000 Einwohnern und warfen Bomben mit Giftgas ab. Viele Menschen starben. Das war vor 26 Jahren, als Saddam Hussein die Kurden von Halabdscha für ihre angebliche Kollaboration mit dem Iran bestrafte.

In aller Welt ist Halabdscha ein Synonym für den qualvollen Tod, den Giftgas über Tausende bringen kann. Nur in der Gegend selbst steht der Name mittlerweile für etwas anderes: Die „Stadt der Dschihadisten“ wird Halabdscha heute genannt.

Mehr als 200 junge Männer aus der Stadt und ihrem Umkreis haben sich nach Angaben des kurdischen Ministeriums für Religiöse Angelegenheiten seit 2011 islamistischen Milizen in Syrien angeschlossen, 35 von ihnen sollen im Bürgerkrieg getötet worden sein, 50 sind wieder nach Hause zurückgekehrt. Der Rest kämpft heute bei der Kurdischen Islamischen Front, die Teil von Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) ist, jener Terrorgruppe, die den Irak seit vergangener Woche in seiner Existenz bedroht. Beim Vormarsch durch den Irak setzt Isis die Gräuel fort. Die Exekution von etwa 1700 Schiiten in Tikrit war der bisher schrecklichste Höhepunkt ihres Kriegszugs. Auf der Todesliste der sunnitischen Extremisten stehen auch Kurden, „die allesamt Kommunisten und Ungläubige sind“, wie ein Isis-Mitglied erklärte. „Sie alle verdienen den Tod.“

Die kurdischen Familien in Halabdscha wollen nicht gerne über ihre radikalen Söhne bei Isis sprechen. Die Stadt ist dieser Tage abgeriegelt.Aber man kann mit Verwandten und Freunden der Islamisten telefonieren. „Mein Cousin verschwand 2013 nach Syrien“, erzählt Rabei. „Von einem Tag auf den anderen war Asad verschwunden, niemand wusste etwas von seiner inneren Einstellung.“ Die Familie des 17-Jährigen versuchte ihn zurückzuholen. Er meldete sich zwar übers Internet, kehrte aber nicht zurück. „Ende 2013 kam dann die Nachricht von seinem Tod.“

Die Region um Halabdscha ist seit mehr als zehn Jahren ein Zentrum des Extremismus. Die Grenzregion in den Bergen zwischen Irak und dem Iran war die Basis für Ansar al-Islam. Die Terrorgruppe hatte dort ein Emirat ausgerufen und war im März 2003 im Zuge der US-Irak-Invasion bombardiert worden. Ein Marschflugkörper traf versehentlich das Büro der Partei der Islamischen Gruppe Kurdistans, die keine Beziehungen zu den Militanten hatte. Mindestens 50 Menschen starben. „Dieser Vorfall brachte den Radikalen in der Gegend großen Zulauf“, sagt Heso, ein Student aus Halabdscha.

Heute soll es immer noch Mitglieder von Ansar al-Islam in der Region geben, „die einen ideologischen Einfluss auf die jungen Leute ausüben“, meint Mariwan Nakschbandi vom Ministerium für Religiöse Angelegenheiten. Dazu kämen islamistische Fernsehsender, die den Dschihad glorifizierten.