Mossul. Der Kampf der Aufständischen gegen die Regierung im Irak hat eine neue Dimension erreicht: Mit der Einnahme von Ninive übernahmen islamistische Kämpfer am Dienstag erstmals die Kontrolle über eine komplette irakische Provinz, wie Parlamentspräsident Ussama al-Nudschaifi mitteilte. Zuvor hatte ein Vertreter des irakischen Innenministeriums erklärt, Mossul sei nicht mehr unter staatlicher Kontrolle. Mossul ist die zweite Stadt nach Falludscha westlich von Bagdad, die die irakische Regierung an die Aufständischen verliert. Laut dem Staatsfernsehen forderten der Regierungschef Nuri al-Maliki und das Präsidentenbüro das Parlament gemäß der Verfassung gemeinsam auf, den Ausnahmezustand auszurufen. Das Parlament benötigt für einen entsprechenden Beschluss eine Zweidrittelmehrheit.

Bei den Angreifern in Mossul handelt es sich um Sunniten. Ein für die Provinz Ninive verantwortlicher Brigadegeneral sagte, seit Montagabend habe es Kämpfe zwischen Soldaten und Hunderten Kämpfern der militanten Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL) gegeben. Mossul, früher eine Hochburg für Al-Qaida-Kämpfer, liegt 360 Kilometer nordwestlich von Bagdad. ISIL ist inzwischen die mächtigste sunnitische Terrorgruppe im Irak und in Teilen Syriens. Ein Bürgerkrieg im Irak mit ähnlichen Konstellationen wie in Syrien wird nicht mehr ausgeschlossen. ISIL hat der Regierung von Premier al-Maliki den Kampf angesagt und verbucht verblüffende Erfolge gegen eine weitgehend ohnmächtige Staatsmacht. Die Minderheit der Sunniten hatte zu Zeiten des ebenfalls sunnitischen Diktators Saddam Hussein alle Vorteile genossen und wurde in Staat und Armee bevorzugt. Heute sehen sie sich als Verlierer und von der schiitisch dominierten Regierung diskriminiert.

Der Gouverneur Ninives gab an, die gesamte nördliche Provinz sei „in die Hände der Aufständischen gefallen“. Nun wollten die Rebellen in die Nachbarprovinz Salaheddin „einfallen“. Er erhofft sich anscheinend keine Hilfe von der Armee und versucht nun, Bürgerwehren zu rekrutieren. Er rief ehemalige Soldaten zu den Waffen, um ISIL wieder zu vertreiben. Auch al-Maliki kündigte an, Freiwillige für den Kampf gegen die Rebellen zu bewaffnen. Die Regierung habe einen Krisenstab eingerichtet, der sich mit der Rekrutierung Freiwilliger sowie deren Ausrüstung befassen solle. Das Kabinett habe zudem beschlossen, die Sicherheitskräfte neu zu organisieren.