Spaniens König Juan Carlos dankt ab. Seine Verdienste um den politischen Wandel im Land wurden zuletzt von Affären überlagert

Madrid. Die historische Entscheidung von Spaniens König Juan Carlos traf das Land wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Nichts hatte auf eine Abdankung des Monarchen hingedeutet. Der 76-Jährige hatte sich zuletzt von einer Serie von Operationen sichtlich erholt. Auf Auslandsreisen legte er kürzlich noch Tausende von Kilometern zurück, um für Investitionen in Spanien zu werben. Als Ministerpräsident Mariano Rajoy für Montagmorgen eine „wichtige Erklärung“ ankündigte, glaubten viele Spanier zunächst an eine Regierungsumbildung.

Doch Juan Carlos hatte seinen überraschenden Entschluss, nach mehr als 38 Jahren auf den Thron zu verzichten, nicht kurzfristig gefasst. Aus dem Königshaus verlautete, er habe sich bereits seit Anfang des Jahres mit dem Gedanken befasst. Im März habe er dann den konservativen Regierungschef und auch Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba – unter dem Siegel der Verschwiegenheit – von seiner Entscheidung unterrichtet, hieß es. Nichts gelangte an die Öffentlichkeit.

Seine angeschlagene Gesundheit und die Finanzaffäre, in die Königstochter Cristina und deren Ehemann Iñaki Urdangarin verwickelt sind, erwähnte Juan Carlos in seiner Radio- und Fernsehansprache am Montag mit keinem Wort. Hinter dem Entschluss des Monarchen dürfte eher die Absicht stecken, mit dem Thronverzicht zugunsten seines Sohnes Felipe das Ansehen der Monarchie wieder zu stärken. Der 46 Jahre alte Kronprinz ist – neben Königin Sofía – das beliebteste Mitglied der königlichen Familie.

Die Monarchie war bei den Spaniern lange Zeit die angesehenste Institution des Staates gewesen. 1995 hatte sie auf einem Höhepunkt 7,5 Punkte auf einer Sympathieskala von 10 bis 0 erreicht. In einer vor einem Monat veröffentlichten Studie des staatlichen Instituts CIS kam das Königshaus dagegen nur noch auf 3,7 Punkte – und rangierte damit weit hinter der Polizei, der Armee oder den Massenmedien.

Der Ansehensverlust der vergangenen Jahre hatte auch damit zu tun, dass die unbestrittenen Verdienste des Königs um die Wiedereinführung der Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur (1939–1975) oder die Niederschlagung eines Putschversuchs im Februar 1981 mittlerweile weit zurückliegen. Bei vielen jungen Spaniern sind diese Zeiten in Vergessenheit geraten oder gelten als Teil der Geschichte.

Dabei sind dies die beiden großen politischen Leistungen des Monarchen. Als Juan Carlos im November 1975 gekrönt wurde, haftete dem jungen Bourbonen der Ruf an, ein Zögling des Diktators Francisco Franco zu sein, der ihn ausbilden ließ und zu seinem Nachfolger als Staatschef erkoren hatte. Nach der Thronfolge wäre eigentlich sein Vater Juan an der Reihe gewesen, aber diesen überging der Diktator. Nach Francos Tod stand der 37-Jährige an der Spitze eines Landes, das seit dem Bürgerkrieg (1936–1939) gespalten war und dessen Bevölkerung für die Monarchie wenig übrighatte. Juan Carlos überraschte alle Skeptiker damit, dass er die Diktatur nicht fortführte, sondern auf Machtbefugnisse verzichtete und den Anstoß zu demokratischen Reformen gab. Er dürfte so ziemlich der einzige König in der Weltgeschichte sein, der von einem Diktator eingesetzt wurde und sein Land zur Demokratie führte.

1976 entließ Juan Carlos den von Franco eingesetzten Ministerpräsidenten Carlos Arias Navarro und machte den reformfreudigeren Adolfo Suárez zum bis dahin jüngsten Ministerpräsidenten Spaniens. In einem Referendum billigten die Spanier 1976 ein Gesetz, in dem sich die Regierung zur grundlegenden Reform der politischen Institutionen verpflichtete. Weitere Meilensteine waren die Zulassung von Parteien und Gewerkschaften, die Parlamentswahlen 1977 und die Verfassung von 1978. Sie definiert Spanien als „sozialen und demokratischen Rechtsstaat“ und gesteht den Regionen das Recht auf Autonomie zu.

Die letzten Zweifler brachte der König auf seine Seite, als er am 23. Februar 1981 die junge Demokratie gegen einen Putschversuch von Militärs verteidigte. Franco-Anhänger in Militär und Guardia Civil besetzten das Parlament und nahmen Abgeordnete gefangen. Der Monarch und Oberbefehlshaber aber beendete den Spuk, indem er den Aufständischen in einer nächtlichen Fernsehansprache befahl, in die Kasernen zurückzukehren.

Die Sympathien seiner Landsleute gewann Juan Carlos aber auch durch seine herzliche und offene Art. Als „Bürgerkönig“ hält er keinen Hofstaat und lebt auch nicht in einem prunkvollen Schloss. Das Budget des spanischen Königshauses beträgt nur einen Bruchteil der Summe, über welche etwa die britische Königin Elizabeth II. verfügen kann. „Hier musst du dir den Thron immer aufs Neue verdienen, Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr“, hatte der König einmal gesagt. „Wenn du das Volk gegen dich hast, kannst du einpacken.“ Möglicherweise dachte er bei seinem Entschluss zur Abdankung an diese Aussage. Denn eine hoch umstrittene Elefantenjagd des Königs und Förderers der Tierschutzorganisation WWF vor zwei Jahren und die Affäre um den königlichen Schwiegersohn Urdangarin, dem die Unterschlagung von Steuergeldern in Höhe von etwa sechs Millionen Euro zur Last gelegt werden, fügten dem Ansehen der Bourbonen in jüngster Zeit erheblichen Schaden zu. Wegen der Safari sah sich der König gar genötigt, öffentlich um Entschuldigung zu bitten und Besserung zu geloben – ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der spanischen Monarchie.

Juan Carlos hatte seinem Sohn und designierten Nachfolger in dessen Jugend eine Reihe von Ratschlägen gegeben, wie er ein guter König werden kann. „Frage die Leute immer wieder danach, wie es ihnen und ihren Familien geht“, trug er dem Kronprinzen die Volksnähe als wichtige Maxime auf. Vom Imageschaden, den die Elefantenjagd und Berichte über angebliche Eheprobleme des Königspaars auslösten, konnte sich Juan Carlos jedoch nicht wieder erholen. Politiker legten ihm schon vor Jahren eine Abdankung nahe.