Prognosen sehen den Schoko-Milliardär als neuen Präsidenten der Ukraine. Er möchte das Land Richtung Europa führen – setzt aber auch auf Verhandlungen mit Russland

Kiew. Noch waren es nur Prognosen auf der Grundlage von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe, doch Petro Poroschenko, der voraussichtliche Sieger der Präsidentenwahl in der Ukraine, ließ sich am Sonntagabend bereits von seinen Anhängern feiern. „Es sieht danach aus, dass das Land einen neuen Präsidenten hat“, sagte der Schokoladenfabrikant am Sonntag in Kiew. Der Milliardär kündigte an, dass ihn seine erste Reise als Staatschef in die Krisenregion im Osten des Landes führen werde. Er wolle den bewaffneten Konflikt im Land so schnell wie möglich beenden, sagte Poroschenko, 48. Seine Priorität sei es, „den Krieg zu beenden und Frieden zu bringen“.

Poroschenko betonte, die Ukrainer hätten einen proeuropäischen Kurs gewählt. Er sprach sich für vorgezogene Parlamentswahlen noch in diesem Jahr aus. Poroschenko hatte sich als einziger Oligarch des Landes von Anfang an offen hinter die proeuropäische Maidan-Bewegung gestellt und war ihr wichtigster Geldgeber.

Ein Erfolg schon im ersten Wahlgang war in Umfragen nicht erwartet worden

Dass der Unternehmer die Wahl offenbar bereits im ersten Durchgang gewann, war nicht erwartet worden. Laut Umfragen vor der Wahl wollten ihm etwa 45 Prozent der Ukrainer die Stimme geben. Laut Prognose kam Poroschenko jedoch auf fast 56 Prozent der Stimmen. Die frühere Regierungschefin und Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko war den Angaben zufolge weit abgeschlagen mit 12,9 Prozent. Die 17 anderen Kandidaten erhielten jeweils nur wenige Prozent.

„Heute hat die Verwirklichung des europäischen Weges, des europäischen Strebens der Ukraine höchste Priorität“, sagte Poroschenko vor seinen Anhängern. Der Kampf gegen die „Terroristen“ müsse verstärkt werden, kündigte er bei der im Fernsehen übertragenen Ansprache an. Bereits bei der Stimmabgabe hatte er gefordert, die bewaffneten Aufständischen müssten aus den Dörfern und Städten des russisch geprägten Ostens verschwinden.

Poroschenko gilt wegen seines Süßwarenkonzerns Roshen als Schoko-Zar der Ukraine. Der 48-jährige Milliardär hatte bereits die prowestliche Orange Revolution von 2004 mitfinanziert. Sein Fernsehsender 5. Kanal berichtete damals wie heute detailliert über die Demonstrationen in Kiew. Viele Wähler schätzen an dem Oligarchen, dass er mit Geld umgehen kann. Der Befürworter einer EU-Annäherung der Ukraine saß in der Vergangenheit bereits als Chef des Nationalen Sicherheitsrats, als Außen- sowie als Wirtschaftsminister an den Hebeln der Macht. Während der proeuropäischen Proteste in den vergangenen Monaten stieg die Popularität des ausgebildeten Diplomaten und vierfachen Vaters, nachdem er sich zwischen Randalierer und die Polizei gestellt hatte.

Im Wahlkampf wurde Poroschenko auch von Kanzlerin Angela Merkel empfangen. Auf viele Ukrainer, die deutsche Stabilität schätzen, machte dies Eindruck. Der wenig charismatische Unternehmer gilt vor allem als „ausgleichender Ruhepol“ in der gespannten Lage. Im Gegensatz zu Julia Timoschenko fordert Poroschenko keinen schnellen Nato-Beitritt. Im äußerst schwierigen Verhältnis zum großen Nachbarn Russland setzt er auf Dialog. Russland war bislang der wichtigste Markt für seine Süßwaren.

Die Bürgermeisterwahl in der Hauptstadt Kiew gewann laut Prognose der ehemalige Boxweltmeister Vitali Klitschko, dessen Familie in Hamburg lebt. Klitschko, ein Verbündeter von Poroschenko, habe 57,4 Prozent der Stimmen erhalten, ergab eine Nachwahlbefragung im Auftrag des Staatsfernsehens. Der 42-Jährige war bereits zu den Wahlen 2006 und 2008 angetreten, war aber jeweils unterlegen. Klitschkos Partei Udar (Schlag) wurde nach eigenen Angaben zudem mit rund 40 Prozent stärkste Fraktion im Kiewer Stadtrat. Das Bürgermeisteramt in Kiew hat derzeit allerdings vor allem repräsentative Funktionen.