Klare Mehrheit in der Volksabstimmung lehnt 18,50 Euro pro Stunde ab. Das wäre weltweit Rekord gewesen. Auch 22 neue Kampfflugzeuge lehnen die Eidgenossen ab.

Bern. Wer hätte nichts gegen einen Stundenlohn von mindestens 18,50 Euro? Die Schweizer! Sie haben sich am Wochenende in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in dieser Höhe ausgesprochen und wiesen die Forderung der Gewerkschaften nach einer in der Verfassung verankerten Lohnuntergrenze am Sonntag laut Hochrechnung mit 77 Prozent Neinstimmen klar zurück.

Auch stimmte eine Mehrheit gegen den von der Regierung geplanten Kauf von 22 Kampfflugzeugen. Nach dem am Nachmittag veröffentlichten amtlichen Ergebnis sprachen sich 53,4 Prozent der Wahlberechtigten gegen das Vorhaben des Verteidigungsministeriums aus, die schwedischen Kampfjets vom Typ Gripen anzuschaffen. Der konservative Verteidigungsminister Ueli Maurer hatte sich besonders für das Projekt starkgemacht und erklärte, dass es „keinen Plan B“ gebe.

Über das Geschäft mit einem Volumen von umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro wird in der Schweiz seit Langem gestritten. Während die Regierung den Kauf als notwendig für die Modernisierung der Armee bezeichnet, stellen die Gegner des Projekts die Eignung der schwedischen Gripen-Modelle infrage. Zudem entbrannte in den vergangenen Monaten eine heftige Debatte darüber, ob die Schweiz überhaupt neue Kampfflugzeuge braucht.

Dass die Mindestlohn-Initiative der Gewerkschaften, die vor allem von den Sozialdemokraten unterstützt wurde, an der Urne scheitern würde, war absehbar. Überraschend für Befürworter wie Gegner war am Sonntag allerdings der hohe Anteil an Neinstimmen.

„Dies ist ein großartiger Erfolg“, freute sich der Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), Hans-Ulrich Bigler. „Die Schweiz will kein Lohndiktat in den Unternehmen.“ Die Wirtschaft hatte vor einer vorgeschriebenen Lohnuntergrenze gewarnt – sie schade dem Standort Schweiz und drohe Arbeitsplätze zu vernichten. „Dies war nun ein klares Votum des Volkes für die Wirtschaft und das System, den Lohn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszuhandeln“, sagte Bigler im SRF-Fernsehen.

Die Gewerkschaften übten sich nach der Niederlage in kämpferischem Optimismus. Man werde weiterhin gegen niedrige Löhne vorgehen, nun aber auf anderen Wegen, erklärte Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Er warf den Unternehmern „Angstmacherei“ vor. Die meisten Menschen seien eigentlich nicht gegen Löhne, die zum Leben reichten, sagte er.

Die Schweizer Lohnabstimmung war in Nachbarländern mit Spannung verfolgt worden. In Deutschland hatte sich die schwarz-rote Bundesregierung erst nach viel Hin und Her auf die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde zum 1. Januar 2015 geeinigt. Über Ausnahmen wird immer noch gestritten.

Zustimmung gab es bei den Referenden erwartungsgemäß für eine Initiative, straffällig gewordenen Pädophilen jedwede berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen auf Lebenszeit zu verbieten. Dafür stimmten laut Hochrechnungen 63 Prozent. Sogar mit 87,5 Prozent wurde der Vorschlag angenommen, ein Gebot zur Gewährleistung einer medizinischen Grundversorgung einschließlich hoch qualifizierter Hausarztmedizin in der Verfassung zu verankern.

Ein weiteres Abstimmungsergebnis: Im größten Schweizer Kanton Zürich müssen die Unternehmen weiter Kirchensteuer bezahlen. Die Zürcher lehnten eine Volksinitiative zur Abschaffung der Steuerpflicht für Firmen ab. Nach Auszählung der meisten Stimmbezirke sprachen sich rund 72 Prozent gegen die Abschaffung der Kirchensteuer für Unternehmen aus, dafür stimmten rund 28 Prozent.

Die Jungfreisinnigen, die Nachwuchsorganisation der liberalen FDP, hatten die Initiative lanciert. In der Kantonsverfassungt ist festgelegt, dass juristische Personen kirchensteuerpflichtig sind.

Kirchensteuer sollten nur natürliche Personen zahlen, die Kirchenmitglieder sind, meinten die Befürworter und gaben zu bedenken, es müssten auch Firmeninhaber Kirchensteuer zahlen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören. Allerdings darf das Geld nicht für kultische Zwecke verwendet werden.