Chef der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram behauptet, die vor einem Monat gekidnappten mehr als 200 Schülerinnen seien konvertiert

Abuja. Einen Monat nach der Massenentführung von über 200 Schülerinnen in Nordnigeria hat die islamistische Terrorgruppe Boko Haram ihre Geiseln erstmals in einem Video gezeigt. In dem knapp 30-minütigem Filmmaterial sind angeblich rund 130 der Mädchen zu sehen. Sie sitzen auf dem Boden, tragen typisch muslimische Gewänder (Hijab) und rezitieren Verse aus dem Koran. Der Chef der Boko Haram, Abubakar Shekau, erklärte, viele der überwiegend christlich erzogenen Geiseln seien zum Islam konvertiert.

Unter anderem wegen der Entführung der Mädchen in Nigeria, aber auch wegen der Gefahren in der Sahelzone kündigte der französische Staatschef François Hollande für kommenden Sonnabend einen Sicherheitsgipfel mit mehreren afrikanischen Staaten in Paris an. Das sagte Hollande bei einem Besuch in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Zum Gipfel sollen Nigeria, der Tschad, Kamerun, der Niger und Benin kommen.

In der vergangenen Woche hatte Frankreich die Bildung einer grenzübergreifenden Anti-Terror-Einheit mit 3000 französischen Soldaten in der Sahelzone angekündigt. Rund 1000 Militärs sollen im Norden Malis stationiert werden, wo Frankreich mit anderen Staaten seit Anfang 2013 Krieg gegen islamistische Terroristen führt. Die anderen 2000 Soldaten sollen auf andere Teile der Sahelzone verteilt werden.

Die Terrorgruppe Boko Haram machte am Montag deutlich, dass sie wegen der entführten Mädchen möglicherweise zu Verhandlungen mit der Regierung in Abuja bereit ist. Shekau sagte, die Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren würden freigelassen, wenn die Behörden alle inhaftierten Boko-Haram-Mitglieder aus dem Gefängnis entlassen. Eine Reaktion von Präsident Goodluck Jonathan gab es zunächst nicht. Die Mädchen waren Mitte April aus einer Schule in dem Ort Chibok im Bundesstaat Borno verschleppt worden. Seither fehlte von ihnen jede Spur. In einem ersten Bekennervideo hatte Shekau in der vergangenen Woche erklärt, er werde die Geiseln als Sklavinnen verkaufen. Daraufhin hatten die USA, Großbritannien, Frankreich und am Wochenende auch Israel ihre Hilfe bei der Suche nach den Vermissten angeboten.

Nach einem Bericht der Zeitung „Punch“ gab es am Wochenende ein Treffen der ausländischen Teams mit Experten des nigerianischen Verteidigungsministeriums. Demnach ist für die nächsten Tage ein gemeinsamer Militäreinsatz geplant. Unter anderem sollen Drohnen und Techniken zum Durchleuchten von Gebäuden eingesetzt werden.

Die Entsendung von Truppen hatten Washington und London aber ausgeschlossen. Nach Angaben des Gouverneurs von Borno, Kashim Shettima, liegen inzwischen erstmals Hinweise auf den Aufenthaltsort der Geiseln vor. Lange wurde vermutet, dass die Kidnapper sich mit den Mädchen im dichten Sambisa-Wald verstecken, wo die Boko Haram Camps unterhält. Jedoch gab es auch Berichte, wonach einige der Jugendlichen nach Kamerun und in die Zentralafrikanische Republik gebracht wurden.

Die Entführung bewegt seit Wochen die Weltgemeinschaft. Durch Internetkampagnen wurden Millionen Menschen mobilisiert, darunter auch Prominente wie die amerikanische First Lady Michelle Obama und die US-Schauspieler Sean Penn und Angelina Jolie. Die EU-Außenminister haben die Entführung scharf verurteilt und die sofortige Freilassung der Mädchen gefordert. Die Tat sei ein Angriff auf die Menschenrechte, erklärten die Außenminister am Montag . „Die Europäische Union fordert, dass die Schülerinnen sofort und bedingungslos freigelassen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“

Der Name Boko Haram bedeutet übersetzt in etwa „westliche Bildung ist Sünde“. Gegründet wurde die Gruppe 2002 von Muhammed Yussuf als streng salafistische Sekte. In ihren ersten Jahren lieferte sich die Gruppe nur Scharmützel mit den Sicherheitskräften. Nach dem Tod Yussufs im Polizeigewahrsam 2009 radikalisierte sich die Gruppe zusehends. Ihr neuer Anführer Abubakar Shekau kämpft für die Errichtung eines mittelalterlichen islamischen Kalifats in Nigeria und hat inzwischen weite Teile des Nordostens destabilisiert.

Boko Haram unterhält Kontakte zur al-Qaida im islamischen Maghreb, von der sie Waffen, Geld und Ausbildung erhalten haben soll. Sie wurzelt im vernachlässigten Nordosten Nigerias, der im Gegensatz zum ölreichen Süden eine der ärmsten Regionen der Welt ist. Der Regierung wird vorgeworfen, zu wenig für die unterentwickelte Region zu tun, die sich vom relativ wohlhabenden, weitgehend von Christen bewohnten Süden betrogen fühlt.