EU-Kommission rechnet mit Konjunktureinbruch. Besonders Deutschland würde leiden

Berlin. Im Falle harter Wirtschaftssanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise muss Deutschland mit einem Einbruch der Konjunktur rechnen. Das ist das Ergebnis eines vertraulichen Berichts der EU-Kommission, über den der „Stern“ berichtet. Der Bericht liegt dem Bundeskanzleramt vor, nachdem er bei einem Treffen zu Ostern allen 28 EU-Botschaftern der Mitgliedsländer übergeben wurde. Demnach wird im schlimmsten Fall angenommen, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,9 Prozentpunkte und im nächsten Jahr um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfällt. Voraussetzungen für dieses Szenario wäre allerdings, dass die EU-Staaten scharfe Zwangsmaßnahmen gegen Russland beschließen. Bei leichteren Sanktionen ist demnach ein Minus von 0,1 Punkten sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr zu erwarten.

Nach den letzten Brüsseler Schätzungen soll die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,6 Prozent und im nächsten Jahr um 2,0 Prozent wachsen. Die Bundesregierung rechnet mit einem Plus von 1,8 Prozent für 2014 und ebenfalls 2,0 Prozent im kommenden Jahr. In einem Interview der „Rheinischen Post“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich gemacht, dass Deutschland „notfalls“ auch zu weiteren Sanktionen bereit ist.

Osteuropa könnte bei einer Krise weniger Waren in Deutschland bestellen

Die Szenarien der EU-Kommission reichen von leichten Sanktionen, wie etwa einem Einfuhrverbot von russischen Luxusgütern wie Pelzen oder weiteren Einreisebeschränkungen, über mittlere Maßnahmen, wie Importstopps für russische Vorprodukte oder dem Einfrieren russischer Konten, bis hin zu gravierenden Schritten wie etwa einem Lieferverbot für Erdgas und Erdöl oder Beschränkungen im Kapitalverkehr. Wie die EU-Kommission erläutert, würde die deutsche Wirtschaft zunächst nicht so sehr leiden, weil das direkte Russland-Geschäft als Folge der Sanktionen zurückgehen würde. „Wesentlich bedeutsamer“, heißt es, seien sogenannte Zweitrundeneffekte. Von Russland wesentlich stärker abhängige Staaten, vor allem in Osteuropa, würden demnach weniger bestellen. Da von Deutschlands Exporten 55 Prozent in die EU-Länder gingen, gebe es nur „begrenzten Spielraum“, diese Ausfuhren zu ersetzen. Außerdem sei Deutschland auf einigen Feldern stark abhängig von Russland. Den Anteil von russischem Gas in der Bundesrepublik beziffert die EU-Kommission auf 46 Prozent, bei Öl sind es 37 Prozent und bei Rohstoffen wie Kupfer sogar 94 Prozent.