Bei ihrem USA-Besuch in dieser Woche spricht die Kanzlerin vor Obama-kritischer Kammer

Washington. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird Ende dieser Woche erstmals nach ihrer Wiederwahl im Weißen Haus erwartet. Doch dort gibt es nach Informationen dieser Zeitung Verstimmungen über den einzigen öffentlichen Auftritt der Kanzlerin während ihres Aufenthalts in der US-Hauptstadt. Am Freitag spricht Merkel vor der Chamber of Commerce. Die US-Handelskammer wird im Weißen Haus als erbitterter Feind von Präsident Barack Obama wahrgenommen, von dem Merkel unmittelbar zuvor im Oval Office zu Gespräch und Mittagessen empfangen wird.

Merkel trifft am Donnerstag in Washington ein und wird auch Christine Lagarde, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, sowie verschiedene Senatoren treffen. Doch Einladungen von nahezu allen maßgeblichen Denkfabriken Washingtons zu weiteren Redeauftritten, darunter die unabhängige Brookings Institution und das Demokraten-nahe Center for American Progress, ignorierte das Kanzleramt.

Auch die Fokussierung der Kanzlerin auf das transatlantische Freihandelsabkommen und damit die Außenwirtschaftspolitik irritiert in der Obama-Administration. Zwar wird das Projekt vom Präsidenten ausdrücklich unterstützt. Aber in Zeiten internationaler Krisenherde wie Syrien und vor allem die Ukraine hätte man beispielsweise im Pentagon von der deutschen Kanzlerin offenkundig andere Akzente erwartet. Zwar gibt es keinen Zweifel daran, dass die Ukraine und der Umgang mit Russland im Zentrum des Gesprächs zwischen Merkel und Obama stehen werden. Doch außenpolitische Erörterungen ausschließlich hinter verschlossener Tür entsprechen nicht dem Bild, das die Große Koalition von sich gezeichnet hat.

Das Weiße Haus reagierte auf eine Anfrage zu der Irritation im Vorfeld des Merkel-Besuchs zunächst nicht. Bei den Denkfabriken ist man auskunftsfreudiger. Michael Werz, einer der leitenden Köpfe des Center for American Progress, versichert zwar, dass „niemand in die Terminpläne der Kanzlerin hineinreden will“. Doch auch er wundert sich über Merkels Vorzugsbehandlung der Chamber of Commerce, „die nahezu alle Projekte der Obama-Administration mit millionenschweren Kampagnen bekämpft, von der Gesundheitsreform über Klimaschutzmaßnahmen bis zur Durchsetzung gleicher Löhne für Frauen – ausgerechnet da wird sie reden, und das irritiert“.

Bei der Chamber of Commerce handelt es sich um eine gewichtige Institution in den USA. In manchen Punkten hat sie sich auf die Seite Obamas gestellt, etwa 2009 bei der Durchsetzung der von den Republikanern bekämpften Konjunktur-Spritze von 787 Milliarden Dollar für die am Boden liegende amerikanische Wirtschaft. Dennoch ist Handelskammer-Chef Tom Donohue im Weißen Haus regelrecht verhasst. Der energische Manager lässt Gesetzesvorhaben, die der Wirtschaft abträglich sein könnten, mit teure Anzeigenkampagnen bekämpfen. Dazu gehört Obamacare ebenso wie die Finanzmarktreform oder die Erhöhung des Mindestlohnes.

In Washington hat man durchaus mitbekommen, dass die Kanzlerin – weil die NSA ihr Handy abhörte – schlecht auf Obama zu sprechen ist. Die Kanzlerin hatte wohl zumindest auf eine Geste des Präsidenten gehofft, um die Empörung über die NSA bei den deutschen Wählern zu besänftigen. Damit ist auch bei dem Besuch nicht zu rechnen. In Washington wird argumentiert, wichtiger als die persönliche Verstimmung zwischen zwei Politikern müsse das bilaterale Verhältnis sein.