Am Sonntag werden die Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. heiliggesprochen. Mehr als eine Million Menschen werden erwartet

Rom. Die Heilige Stadt bereitet sich auf das größte Ereignis des Jahres vor. „Der Tag der vier Päpste“ titeln die Zeitungen zur bevorstehenden Heiligsprechung von Johannes XXIII. (1958–1963) und Johannes Paul II. (1978–2005) durch Papst Franziskus am Sonntag. Allerdings sei noch nicht sicher, ob der soeben 87 Jahre alt gewordene Emeritus Benedikt XVI. tatsächlich an der rund zweistündigen Zeremonie teilnehme, so Vatikansprecher Federico Lombardi.

Während auf dem Flughafen Fiumicino am Donnerstagmorgen die ersten der erwarteten 40 Sondermaschinen aus Polen landeten, laufen um den Vatikan die Vorbereitungen auf Hochtouren. Monumente, Straßen und Plätze werden gereinigt und verschönert, letzte Baustellen abgeräumt, Zebrastreifen neu geweißt. Zugleich beginnen die Maßnahmen zur Lenkung der Pilgermassen. Die Zone zwischen Petersplatz und Tiberufer wird ab Sonnabend weiträumig für den Verkehr gesperrt, die auf den Petersplatz zulaufende Via della Conciliazione ab dem späten Nachmittag auch für Fußgänger. Der Zugang zur Papstmesse ist am Sonntag ab 5.30 Uhr nur von Osten her möglich, über drei Kontrollpunkte nahe der Engelsburg.

Sogar die Eisenbahnstation San Pietro, die wenige Hundert Meter südlich des Vatikans liegt, ist ab Sonntagfrüh dicht. Von dieser Seite aus will die Stadt den offiziellen Gästen einen sicheren Zugang zu der Zeremonie ermöglichen. Erwartet werden mehr als 90 staatliche Delegationen, 24 Staatsoberhäupter – Präsidenten oder Könige – sowie 35 Gruppen unter Leitung von Regierungschefs. Daneben erwartet die Diözese Rom mehr als eine Million Gläubige. Die Stadt sei auch für Unvorhergesehenes gerüstet, ergänzt der für Großereignisse zuständige Stadt-Beauftragte Mauro Pucci – der früher bereits eine Zahl von sieben Millionen in Umlauf gebracht hatte. Doch ein solcher Andrang wäre für eine Stadt mit drei Millionen Einwohnern völlig unrealistisch, kommentierten damals Kirchenkreise.

Mit dem Besucherstrom steigen auch die Preise. Übernachtungen in Rom seien um 35 Prozent teurer: durchschnittlich 218 Euro pro Nacht, wie das Tourismusportal Trivago ermittelte. Für „Bed and Breakfast“ verzeichne man sogar eine Verdoppelung. Trotz angeblicher Totalauslastung gibt es aber immer noch mehr als 1000 freie Gästebetten in der Stadt – nicht zuletzt weil im Internet auch „inoffizielle Gastgeber“ offerierten.

Schwarze Schafe gibt es auch in der Souvenirindustrie, die unterschiedlichste Objekte zu den beiden neuen Heiligen anbietet. Mehrere Händler wurden bereits von der Polizei beim Verkauf „illegaler Erinnerungsobjekte“ ertappt. Stadt, Hoteliers und Tourismusorganisationen erließen 21 Regeln, die Römer und Gäste zu einem korrekten Umgang miteinander anhalten und vor Nepp und Betrug bewahren sollen.

Überschattet wurde das Großereignis durch einen merkwürdigen Unfall: In Cevo in Norditalien war ein riesiges Kruzifix eingeknickt, und die aus 30 Metern Höhe stürzende Christusfigur tötete einen jungen Mann, der zu Füßen des Denkmals beim Pilger-Picknick saß. Das Kreuz war Papst Johannes Paul II. gewidmet, und der 21-jährige Marco Gusmini lebte in der Via Giovanni XXIII. (Straße Johannes XXIII.) im nahen Lovero, einer Straße, die nach Papst Johannes XXIII. benannt ist. Beide Pontifizes werden am Sonntag in Rom von Papst Franziskus heiliggesprochen. Sogleich geisterten im abergläubischen Italien wilde Spekulationen durch soziale Netze. War das ein Wink Gottes gegen alles, was dieses religiöse Ereignis zu einem Happening degradiert, das selbst im Internet wie an einem virtuellen Souvenirstand vermarktet wird?

Die Gäste auf dem Petersplatz ficht das sicherlich nicht an. Die Heiligsprechungsmesse, die Papst Franziskus ab zehn Uhr mit rund 130 Kardinälen zelebriert, folgt dem seit 2012 reformierten Ritus. Dem Gottesdienst vorgeschaltet ist eine einstündige Zeremonie mit Erinnerungszeugnissen und Rosenkranzgebeten. Der offizielle Akt erfolgt zu Beginn der Messe, nach dem Kyrieruf und der Allerheiligen-Litanei: Der Präfekt der zuständigen Vatikankongregation, Kardinal Angelo Amato, bittet in drei aufeinanderfolgenden und immer eindringlicheren Petitionen um die Heiligsprechung der beiden Päpste. Nach dem Heilig-Geist-Gesang „Veni Creator Spiritus“ spricht Franziskus dann die Kanonisierungsformel. Dazu werden Reliquiare der beiden neuen Heiligen auf den Altar gestellt: Hautpartikel von Johannes XXIII., die bei der Exhumierung entnommen wurden, sowie eine Blutampulle von Johannes Paul II. Dazu werden an der Fassade des Petersdoms Wandteppiche mit Porträts der beiden enthüllt. Von da an sind Johannes XXIII. und Johannes Paul II. offiziell Heilige der katholischen Kirche.

Vatikansprecher Pater Federico Lombardi erläuterte, was den aktuellen Papst mit den beiden zukünftigen Heiligen verbindet: „Franziskus verbindet mit den beiden Päpsten, dass alle drei aus einfachen Verhältnissen stammen. Außerdem war die Barmherzigkeit ein Leitmotiv sowohl für Johannes XXIII. als auch für Johannes Paul II. Und Franziskus selbst redet ja nun von morgens bis abends von Barmherzigkeit.“

Franziskus würdigte die beiden künftigen Heiligen als herausragende Christen. Johannes Paul II. habe Gesellschaft, Kultur und politische Systeme mit „der Kraft eines Giganten umgepolt und für Christus geöffnet“, sagte Franziskus in einer Videobotschaft, die am Donnerstagabend im polnischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Mit seinem Glaubenszeugnis, seinem Mut und seiner Menschlichkeit habe Johannes Paul II. Christen in aller Welt geholfen, sich ohne Angst zu ihrer religiösen Überzeugung zu bekennen, sagte Franziskus unter Berufung auf ein Zitat von Benedikt XVI.

Johannes XXIII., der Vater des Zweiten Vatikanischen Konzils, gilt als Wegbereiter für eine Modernisierung der Kirche im 20. Jahrhundert. Der Italiener wurde am 25. November 1881 als Angelo Giuseppe Roncalli in der Gemeinde Sotto il Monte nahe Mailand geboren. Er wurde im Jahr 1904 zum Priester geweiht und machte im diplomatischen Dienst des Vatikans Karriere. 1953 wurde er Kardinal, bevor er am 28. Oktober 1958 zum Papst gewählt wurde. Johannes XXIII. galt als bescheiden, weltoffen und zugewandt. Mit der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils 1959 und dessen Eröffnung 1962 führte er die Kirche in Richtung Moderne. Das Ziel war, dogmatische Sätze an das Verständnis des gegenwärtigen Zeitalters anzupassen. Es gebe zwar bleibende Wahrheiten, so Johannes XXIII., aber die Ausdrucksweise verändere sich mit der Zeit. Er erlebte das Ende des Konzils jedoch nicht mehr. Nach seinem Tod im Juni 1963 wurde das Konzil durch Papst Paul VI. fortgesetzt und 1965 beendet. Es entschied zugunsten der Religionsfreiheit in der bürgerlichen Staatsordnung und für verstärkten Dialog mit Anders- oder Nichtgläubigen.