Regierung Netanjahu legt Friedensgespräche auf Eis, weil sich die Fatah und die radikalislamische Hamas einander annähern wollen

Jerusalem/Gaza. Israel hat die Friedensgespräche mit den Palästinensern ausgesetzt. Hintergrund sind die Bemühungen der palästinensischen Fatah um Aussöhnung mit ihrem radikalislamischen Rivalen Hamas. Ein Nahost-Frieden erscheint wieder weit entfernt. Die ohnehin weitgehend fruchtlosen neunmonatigen Verhandlungen stehen vor dem endgültigen Aus.

Das Sicherheitskabinett unter Leitung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu beschloss den vorläufigen Stopp der Gespräche nach einer sechsstündigen Sitzung am Donnerstag, wie Netanjahus Büro mitteilte. „Das Kabinett hat heute Nachmittag einstimmig entschieden, dass es nicht mit einer Palästinenserregierung verhandeln wird, die sich auf die Hamas stützt, die die Zerstörung Israels fordert“, hieß es in der Mitteilung. „Anstatt den Frieden zu wählen, hat Abu Masen (Kampfname von Abbas) einen Pakt mit einer mörderischen Terrororganisation geschlossen, die zur Zerstörung Israels aufruft.“

Allerdings wurde trotz der harschen Worte möglicherweise ein Hintertürchen für weitere Gespräche offengehalten. Denn die Palästinenser wollen nach eigenen Angaben erst in fünf Wochen eine Einheitsregierung bilden. Zudem sollen in einer solchen Übergangsregierung aus Experten keine Hamas-Mitglieder sitzen, hieß es im Gazastreifen.

Eine tatsächliche Beteiligung der Hamas an einer Regierung könnte es erst nach Neuwahlen geben. Sie sollen entsprechend einer Vereinbarung vom Vortag zwischen der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der im Gazastreifen herrschenden Hamas erst in sechs Monaten abgehalten werden.

Außerdem bestehen erhebliche Zweifel, ob das Versöhnungsabkommen zwischen den rivalisierenden palästinensischen Gruppierungen tatsächlich umgesetzt werden wird. Frühere Versuche, den seit 2007 bestehenden Bruch zwischen den Organisationen zu kitten, waren über Absichtserklärungen nicht hinausgekommen.

Die bisher ergebnislosen Friedensgespräche waren Ende Juli vergangenen Jahres unter Vermittlung von US-Außenminister John Kerry aufgenommen worden und sollten neun Monate dauern. Kerrys Bemühungen um eine Verlängerung der am kommenden Dienstag endenden Verhandlungsfrist blieben so weit erfolglos.

Neben dem vorläufigen Ende der Gespräche kündigte die israelische Regierung auch wirtschaftliche Sanktionen gegen die Palästinenser an. Außenminister Avigdor Lieberman hatte schon zuvor klargestellt, es werde keine Friedensvereinbarung mit einer Palästinenserführung geben, an der auch die radikalislamische Hamas beteiligt ist. In der Erklärung wird auch eine „Reihe von Schritten“ als Reaktion auf den von Israel abgelehnten Beitritt der Palästinenser zu 15 Uno-Konventionen und internationalen Verträgen angekündigt. Damit sind üblicherweise Finanzsanktionen gemeint. Israel hat bereits die Überweisung von Steuer- und Zolleinnahmen gestoppt, die es für die Palästinenser einzieht

Die im Gazastreifen herrschende Palästinenserorganisation Hamas spricht Israel das Existenzrecht ab und will auch gewaltsam gegen Israel vorgehen. Die USA und europäische Länder stufen sie als Terrororganisation ein.

Die USA hatten schon vorab Verständnis für die israelische Haltung geäußert. Es sei schwer denkbar, dass Israel mit jemandem verhandeln werde, der „die Existenz Israels nicht anerkennt“, sagte die Sprecherin des US-Außenamts, Jen Psaki, am Vorabend in Washington.

Palästinensische Funktionäre versuchen zu beschwichtigen

Palästinensische Funktionäre äußerten sich beschwichtigend zu den Konsequenzen einer möglichen Versöhnung. Das hochrangige Mitglied der PLO, Dschibril Radschub, betonte, die Palästinenser würden auch nach einer Versöhnung weiter die Zwei-Staaten-Lösung anstreben, auf Gewalt verzichten und Israels Existenzrecht anerkennen.

Der Vize-Beauftragte der Hamas für die Außenbeziehungen, Gazi Hamad, sagte im israelischen Rundfunk, seine Organisation würde einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 akzeptieren. Aber er sei überzeugt, dass Israel keinen Frieden wolle.

Der Chefunterhändler der Palästinenser, Saeb Erekat, hatte sich schon vor Aussetzung der Gespräche enttäuscht über Israels Reaktion geäußert. „Netanjahu und seine Regierung haben den innerpalästinensischen Streit immer als Vorwand missbraucht, um keinen Frieden schließen zu müssen. Jetzt wollen sie die Versöhnung zum gleichen Zweck nutzen. Das ist völlig absurd“, zitierte ihn die amtliche palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Erekat erklärte, die Aussöhnung zwischen den beiden rivalisierenden Palästinenserorganisationen sei eine interne Angelegenheit. „Israel hat kein Recht, sich in dieses Thema einzumischen“, sagte er und bezeichnete mögliche Sanktionen Israels als „Piraterie“. Die palästinensischen Steuereinnahmen stünden den Palästinensern zu.

Die von Israel eingehobenen Steuer- und Zolleinnahmen machen im Monat rund 100 Millionen Dollar aus – Geld, das die Palästinensische Autonomiebehörde von Abbas am Leben hält. Der Palästinenserpräsident hatte bei Treffen mit Vertretern der Arabischen Liga zuletzt die Zusicherung bekommen, dass deren Mitgliedsländer einspringen würden, sollte Israel die Zahlungen einstellen. Allerdings haben sich einige der arabischen Geberstaaten in der Vergangenheit an ähnliche Verpflichtungen nicht gehalten.