Facebook-Gründer sieht durch NSA-Spionage Geschäfte im Internet gefährdet. Bundestag einigt sich auf Untersuchungsausschuss

New York. Es bedarf schon einer gewissen jugendlichen Dreistigkeit, was sich Mark Zuckerberg getraut hat. Auf seiner Facebook-Seite machte der Konzernchef seinem Ärger Luft über Präsident Barack Obama und dessen Untätigkeit in der US-Internetspionageaffäre. „Ich habe Präsident Obama angerufen und meine Frustration darüber zum Ausdruck gebracht, welchen Schaden die Regierung für unser aller Zukunft anrichtet. Leider sieht es so aus, als ob es noch sehr lange dauern wird, bis eine wirkliche Reform kommt“, schrieb der Facebook-Chef. Ein klarer Tabubruch, denn das macht man als Unternehmer nicht: den Präsidenten frontal angreifen und über vertrauliche Gespräche reden. Umso überraschender ist es, dass die Kritik ausgerechnet von Zuckerberg kommt. Der Facebook-Gründer galt bislang als Unterstützer der Obama-Administration.

Zuckerbergs Sorgen müssen also schon sehr groß sein, dass er sich zu einem solchen Schritt hinreißen lässt. „Die US-Regierung sollte ein Verteidiger des Internets sein und keine Bedrohung“, schreibt er. Die Regierung müsse die Transparenz ihres Tuns erhöhen – „ansonsten nehmen die Menschen das Schlimmste an“. Das könne das Wachstum der Branche nachhaltig schädigen. Er sei „verwirrt“ über das Verhalten seiner Regierung, so Zuckerberg. „Die meisten Menschen und Unternehmen“ hätten doch zum Ziel, das Internet zu einem sicheren Bereich zu machen.

Zuckerberg ist unter den Konzernchefs im Silicon Valley einer der lautstärksten Kritiker einer ausufernden Internetspionage des US-Geheimdienstes NSA. Er hatte bereits im September der Regierung vorgeworfen, es „vergeigt“ zu haben. Damals griff er Obama aber nicht direkt an. „Wenn unsere Techniker unermüdlich daran arbeiten, die Sicherheit zu erhöhen, gehen wir eigentlich davon aus, Euch gegen Kriminelle zu schützen und nicht gegen unsere eigene Regierung“, schrieb er jetzt.

Es klingt ein bisschen aberwitzig, dass sich ausgerechnet der Facebook-Chef als Verfechter des Datenschutzes produziert. Schließlich beruht das gesamte Geschäftsmodell des größten sozialen Netzwerks der Welt darauf, seine Nutzer auszuspionieren und die Daten für Werbekunden nutzbar zu machen. Auch hatten Konzerne wie Facebook vor der Affäre um den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden wenig Probleme, sensible Daten mit dem US-Geheimdienst zu teilen. Dank Snowdens Enthüllungen weiß die Welt etwa von dem Programm Prism, mit dem die großen US-Internetkonzerne wie Google, Microsoft, Apple oder Facebook die Daten ihrer Kunden über verborgene Software-Hintertüren der NSA zugänglich machten. Der Unterschied ist nun aber, dass die Internetnutzer davon wissen, und sie beginnen, ihr Verhalten zu ändern. Zuckerberg geht es also weniger um den Schutz der Kunden. Er macht sich vielmehr Sorgen darüber, dass eine Angst vor der Datensammelwut der NSA Nutzer vertreiben könnte. Wenn Menschen dem Internet nicht mehr trauen und sie ihre Daten für sich behalten, dann kollabiert auch das Geschäftsmodell von Facebook.

Zuckerbergs Wutausbruch hat auch einen ganz konkreten Auslöser. Am Mittwoch hatte der Snowden-Vertraute Glenn Greenwald auf seiner neuen Website „The Intercept“ berichtet, die NSA habe nachgemachte Facebook-Seiten genutzt, um Computer mit Schadsoftware zu infizieren und gezielt auszuspionieren. Er sei „irritiert und frustriert über diese wiederkehrenden Berichte zum Verhalten der US-Regierung“, schrieb Zuckerberg.

Die NSA stritt die Vorwürfe von Greenwald in einer öffentlichen Erklärung ab: „Die jüngsten Medienberichte, wonach die NSA Millionen Computer rund um die Welt mit Schadsoftware infiziert habe und dass die NSA sich als amerikanische soziale Netzwerke oder andere Websites tarnt, sind nicht korrekt.“ Wenn man die NSA kennt, ist die Mitteilung allerdings eigentlich gar kein richtiges Dementi. Schließlich lässt die Formulierung die Möglichkeit, dass es weniger als Millionen Computer sein könnten und dass ein solches Vorgehen in der Vergangenheit eingesetzt wurde. Ähnlich hieß es seinerzeit auch zum Vorwurf, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei abgehört worden, auch nur, das geschehe jetzt nicht und werde in Zukunft nicht passieren.

Der Lauschangriff auf Merkel und andere Regierungsmitglieder sowie die massenhafte Abschöpfung von Internet- und Telefondaten hat in Deutschland ein parlamentarisches Nachspiel: Alle Fraktionen des Bundestages haben sich auf einen Untersuchungsausschuss geeinigt. Darauf verständigten sich die Fraktionen von Union, SPD, Grünen und Linken. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) begrüßte, dass sich Koalition und Opposition auf einen Antrag geeinigt haben. Das stärke den Untersuchungsauftrag und sei ein gutes Signal für den Schutz von Bürgerrechten.

Angestoßen durch die Enthüllungen Snowdens soll der Untersuchungsausschuss das Ausmaß der Internet- und Telekommunikationsüberwachung in Deutschland seit dem Jahr 2001 klären. Snowden gilt als möglicher Zeuge, zurzeit lebt er in Russland. Die Bundesregierung sieht aber bisher keine rechtliche Grundlage, um dem Amerikaner in Deutschland Asyl zu gewähren. Lange Zeit war unklar, ob sich alle Bundestagsfraktionen auf einen gemeinsamen Antrag einigen können.

Das Gremium soll aus acht Mitgliedern und acht Stellvertretern bestehen. Es soll insbesondere klären, „ob, in welcher Weise und in welchem Umfang“ durch Nachrichtendienste der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands („Five-Eyes“-Bündnis) eine Ausspähung, Auswertung und Weitergabe deutscher Daten stattgefunden hat. Zudem soll geklärt werden, ob diplomatische Vertretungen und militärische Standorte genutzt wurden, „um Daten über Kommunikations- und Datenverarbeitungsvorgänge und deren Inhalte zu gewinnen“. Das Ausspionieren von Spitzenpolitikern, deren Handys jahrelang abgehört worden sein sollen, führte zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. Die Abhöraffäre habe viele Menschen verunsichert, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht. „Viele Bürgerinnen und Bürger stellen zu Recht drängende Fragen nach der Sicherheit und Integrität der elektronischen Kommunikation.“ Unternehmen fürchteten zudem eine Ausspähung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.