Hält der Ukraine-Konflikt länger an, drohen Protektionismus, Nationalismus und hohe Rohstoffpreise, die die Weltkonjunktur empfindlich schwächen könnten

Berlin. Führende Ökonomen warnen vor erheblichen volkswirtschaftlichen Verwerfungen wegen der Krise auf der Krim. Wenn der Konflikt länger anhalte oder sich verschärfe, drohten erhebliche negative Folgen für die Weltwirtschaft. Insbesondere höhere Preise für Öl, Gas und andere Rohstoffe könnten dafür sorgen, dass die gerade an Fahrt aufnehmende Weltkonjunktur ins Stottern gerät. „Normalerweise sollten die Folgen eigentlich begrenzt sein“, sagt etwa Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) mit Blick auf die aktuelle Entwicklung auf der Krim-Halbinsel. „Aber anders als in Thailand oder Venezuela ist die Krise dieses Mal der EU sehr nahe und Russland ist für die EU ein sehr wichtiger Handelspartner.“

Auch Carsten Breszki, der Chefvolkswirt der ING-Diba, verweist darauf, dass die Nähe zu Europa erhebliche Risiken berge: „In den letzten Jahren verliefen ähnliche militärische Konflikte für die Weltwirtschaft glimpflich ab, so dass Unternehmen und Anleger schnell wieder zur Tagesordnung übergehen konnten. Aber ein sich weiter verschärfender militärischer Konflikt direkt vor Europas Haustür birgt mittelfristig große Risiken“, warnt der Ökonom. Vor allem die Unsicherheit an den Märkten werde in den nächsten Tagen zunehmen.

Straubhaar warnt vor allem vor steigenden Öl- und Gaspreisen, die eine Gefahr für die Weltwirtschaft seien – und die auch Verbraucher schnell zu spüren bekommen würden: „Für Deutschland ist Russland vor allem als Energielieferant sehr wichtig.

Eine Eskalation wird mit Sicherheit hier die Energiepreise ins Schwanken bringen und nach oben schießen lassen.“

Dennis Snower, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Kiel (Ifw) befürchtet ebenfalls, dass der Konflikt auf der Krim sich am stärksten über den Ölpreis auf die übrige Weltwirtschaft auswirken wird. „Russland ist der größte Ölproduzent der Welt und exportiert mehr als Saudi Arabien, wenn man Rohöl und -produkte zusammenzählt“, sagt Snower. „Kürzungen der Lieferungen aus Russland könnten den Ölpreis empfindlich nach oben treiben, bereits die Sorge darum dürfte spürbare Effekte haben, die auch schon an den Märkten beobachtbar sind.“ Die Nutzung des Ölhandels als politisches Druckmittel, ob als Boykott oder Embargo, sei deshalb für beide Seiten „ein hochriskantes Spiel“, warnt Snower.

Auch die Unternehmen fürchten sich vor einer Verschärfung der Krise. Bereits jetzt seien Exporteure betroffen, warnt Volker Treier, der Außenwirtschafts-Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). „Bereits heute leiden die deutsch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen unter der Krise auf der Krim“, sagt Treier. Der weitere Verfall der ukrainischen Währung verteuere zunehmend deutsche Exporte in das osteuropäische Land.

Sein Verband vertritt rund 3,6 Millionen Unternehmen. Bei einer Ausweitung der Krise oder wenn sie länger anhalte, könnte auch die Produktion deutscher Firmen in der Ukraine gefährdet sein. „Die Produktion der rund 2000 deutschen Unternehmen in der Ukraine selbst ist bisher noch nicht beeinträchtigt“, sagt Treier. „Das kann sich aber schnell ändern, wenn keine diplomatische Lösung zur Beilegung des Konflikts gefunden wird.“ Gefährlich werde es auch, wenn die Ukraine nicht bald finanzielle Unterstützung von außen erhalte. Das Land steht kurz vor dem Bankrott und kämpft mit einem erheblichen Leistungsbilanzdefizit.

Unterschiedlich bewerten die Ökonomen, dass die Gruppe acht wichtiger Volkswirtschaften (G8), angekündigt hat, Russland auszuschließen. Für Straubhaar ist dies Teil eines längerfristigen Trends hin zu mehr Protektionismus. „Meine große Sorge ist, dass der Welt ein neuer Protektionismus droht“, sagt Straubhaar. „Wenn alles schief läuft, stehen wir in Europa gerade am Ende einer über 50-jährigen Periode der zunehmenden Freiheit, Marktöffnung und Integration nationaler Märkte. Hoffentlich nicht für lange, aber wohl doch für eine gewisse Zeit.“

Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank, gibt hingegen in dieser Hinsicht Entwarnung. Die G8 seien vor allem ein Forum für den Dialog, anders als die Welthandelsorganisation WTO stelle die Organisation keine Regeln für den internationalen Handel auf. „Der angedrohte Ausschluss Russlands ist vor allem ein politisches Signal an die russische Regierung und bedeutet nicht mehr Protektionismus in der Welt“, sagt Krämer. Auch IfW-Chef Dennis Snower glaubt, dass der Ausschluss nur am Renommee Russlands kratze.