Matteo Renzi, der beliebte Bürgermeister von Florenz, verdrängt Regierungschef Enrico Letta, obwohl Parteifreund, aus dem Amt

Rom . Mit einem Frontalangriff auf die italienische Regierung hat der Vorsitzende der Demokratischen Partei (PD), Matteo Renzi, den Ministerpräsidenten Enrico Letta zu Fall gebracht – immerhin einen Parteifreund. Jung, dynamisch und gnadenlos: Das wird ihm nachgesagt. Nach wochenlangem Machtkampf forderte der 39-jährige Bürgermeister von Florenz zuletzt bei einem Treffen der Parteiführung „dringend“ die Bildung einer „neuen Regierung“. Die Partei stellte sich hinter ihn, Letta kündigte seinen Rücktritt an – und reichte ihn Freitag ein, nach knapp zehn Monaten im Amt.

Präsident Giorgio Napolitano nahm das Rücktrittsgesuch des Ministerpräsidenten an. Es wird erwartet, dass er Lettas Gegenspieler Renzi mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Einen entsprechenden Entschluss könnte Napolitano Sonntag fällen. Nach seiner Nominierung müsste sich Renzi im Parlament mit seinem Kabinett einem Vertrauensvotum stellen.

Renzi hat viel Sympathie in der Bevölkerung. In Umfragen sagten 54 Prozent der Italiener, sie hätten eine positive Meinung über den erst im Dezember gewählten Partei-Chef. Sogar bei Anhängern der Rechten um den ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi kommt der junge Politiker gut an.

Renzi ist kein Mann des Parteiapparats, und das nimmt auch Gegner der Linken für den vor wenigen Jahren noch kaum bekannten Politiker ein. Er selbst nennt sich gern „Rottamatore“ („Verschrotter“). Die Demontage von altgedienten Politikern ist Renzi schon vor dem Machtkampf mit Letta mehrfach gelungen: Sowohl der frühere Ministerpräsident Massimo D'Alema als auch der ehemalige Bewerber für das Amt des Regierungschefs, Walter Veltroni, traten unter anderem auf Betreiben Renzis bei der Parlamentswahl im Februar 2013 nicht mehr an.

Spitzenkandidat wurde jedoch nicht Renzi, sondern der eher dröge wirkende PD-Vorsitzende Pierluigi Bersani. Er trat zurück, nachdem er mit dem Versuch gescheitert war, nach den Wahlen mit einer äußerst knappen Parlamentsmehrheit eine Regierung zu bilden. Das gelang dann später Letta.

Im Dezember wurde Renzi zum Parteichef gewählt. Mit den Gewerkschaften hat es der auf dem rechten PD-Flügel stehende Renzi nicht so. Er eifert seinen Vorbildern nach, US-Präsident Barack Obama und dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair. Seine Partei will er von Grund auf umkrempeln und nach dem neoliberalen Modell von Blairs New Labour von 1994 neu ausrichten. Renzis politisches Programm ist eher verschwommen. Kernforderungen sind weniger Staatsausgaben und weniger Bürokratie. Seinem parteiinternen Rivalen Letta warf er wiederholt Langsamkeit und mangelnden Reformeifer vor.

Sein energiegeladenes Image pflegt Renzi mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, Marathonläufen und Fahrradfahren. Gern trägt er eine schwarze Lederjacke, die ihm schon Vergleiche zu „Fonzie“ aus der US-Fernsehserie „Happy Days“ eingebracht hat. Verheiratet ist der Jurist mit der Italienischlehrerin Agnese, die er noch aus Pfadfinderzeiten kennt und mit der er drei Kinder hat.

Geboren wurde Renzi am 11. Januar 1975 in Florenz. Nach Abschluss seines Jurastudiums arbeitete er in der Marketingfirma seiner Familie. Schon mit 19 Jahren trat er in die politischen Fußstapfen seines Vaters, eines örtlichen Abgeordneten der Christdemokraten. 2001 wurde Renzi der örtliche Koordinator der christdemokratischen Zentrumsbewegung Margherita, die später in der Demokratischen Partei aufging.

Bei den Provinzwahlen 2004 errang er mit knapp 59 Prozent der Stimmen einen deutlichen Sieg. Über seine Erfahrungen als Provinzpräsident in Florenz veröffentlichte er zwei Jahre später ein Buch mit dem Titel: „Zwischen De Gasperi und U2“. Alcide De Gasperi, historischer Führer der italienischen Christdemokraten und mit Robert Schuman und Konrad Adenauer einer der Gründerväter der europäischen Einigung nach 1945, gehört genauso zu Matteo Renzis Idolen wie die irische Rockband U2.