Istanbul. Bei Protesten gegen die von der türkischen Regierung verschärften Internet-Gesetze ist es in Istanbul zu schweren Zusammenstößen gekommen. Aus den Reihen der zu Tausenden aufmarschierten Regierungsgegner flogen am Sonnabendabend Feuerwerkskörper und Steine auf Polizisten. Demonstranten zündeten in der Umgebung des Taksim-Platzes Barrikaden an. Demonstranten errichteten Barrikaden unter anderem auf einer Straße zwischen zwei Krankenhäusern. Die Polizei griff Regierungsgegner mit Wasserwerfern, Tränengas und Plastikgeschossen an. Die Zeitung „Zaman“ berichtete am Sonntag, sechs Demonstranten seien verletzt worden, zudem habe es Festnahmen gegeben. Demonstranten beschädigten zahlreiche Geldautomaten.

Oppositionsgruppen hatten zu der Kundgebung am Taksim-Platz unter dem Motto „Stoppt die Zensur“ und „Fass mein Internet nicht an“ aufgerufen. Die Polizei riegelte den Platz und den daneben gelegenen Gezi-Park ab. Demonstranten forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. In Ankara und Izmir kam es ebenfalls zu kleineren Kundgebungen.

Das Parlament in Ankara hatte in der Nacht zu Donnerstag ein Gesetz beschlossen, das Behörden unter anderem erlaubt, Internetseiten ohne richterlichen Beschluss zu sperren; die Justiz wird erst nach der Sperrung eingeschaltet. Zudem wird eine zweijährige Datenvorratsspeicherung mit Zugriffsrecht der Sicherheitsbehörden eingeführt. Das von Erdogan initiierte Gesetz muss noch von Staatspräsident Abdullah Gül unterzeichnet werden. Die EU hatte vom Beitrittskandidaten Türkei eine Neufassung des Gesetzes gefordert. Erdogan sagte am Wochenende: „Mit diesem Gesetz wird das Internet auf gar keinen Fall zensiert.“ Stattdessen werde das Netz „sicherer“ und „freier“.