Lebensmitteltransport in die belagerte Stadt gerät unter Beschuss. Für die Verhandlungen über den Bürgerkrieg in Syrien ist das ein Rückschlag

Homs/Genf. In Genf sind von heute an wieder die Diplomaten am Zug im Ringen um eine Lösung im syrischen Bürgerkrieg. Am Wochenende sollte humanitäre Hilfe für die Eingeschlossenen in der belagerten Stadt Homs das Klima verbessern. Doch schon der erste Hilfskonvoi geriet unter Beschuss.

Als die Lastwagen der Uno-Hilfsorganisationen und des syrischen Roten Halbmonds am Sonnabend in die belagerte Altstadt von Homs fahren, schlagen neben ihnen reihenweise Mörsergranaten ein. Auch bei der Verteilung der Güter – 250 Lebensmittelpakte, 190 Hygiene-Sets und wichtige Medikamente an ausgehungerte Menschen in der Kriegszone – hört der Beschuss nicht auf. Mindestens fünf Menschen sterben, wie Aktivisten berichten. Die Helfer haben noch großes Glück. Nur einer von ihnen wird leicht verletzt. Die zuvor ausgehandelte Waffenruhe während des Hilfstransports ist gescheitert. Die Kriegsparteien machten sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Ein Reporter des amerikanischen „Wall Street Journal“ beobachtet die Helfer bei ihrer Rückkehr über die Frontlinie. Die Lastwagen rumpeln auf zerschossenen Reifen dahin, in den Windschutzscheiben klaffen Einschusslöcher. Mit an Bord war Yacoub El Hillo, der höchste Uno-Beamte in Syrien. „Es war ein Tag in der Hölle“, sagte er nach der Rückkehr. „Aber das erleben die Menschen an diesem Ort an jedem Tag. Das ist das Leben, das sie leben, und wir sahen heute einen winzigen Ausschnitt davon.“

Uno-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres dankt der Hilfsorganisation Roter Halbmond und den Uno-Mitarbeitern am Sonntag für ihren Einsatz in Homs. „Mich ermutigt vor allem die Entschlossenheit unserer Mitarbeiter, weiter zu versuchen, denen zu helfen, die bislang noch keine lebensnotwendige Hilfe erhalten haben“, so der Hochkommissar für Flüchtlinge. Tatsächlich werden am Sonntag erneut Hilfsgüter in die Stadt geliefert. Und wieder retten die Helfer mehrere Dutzend Zivilisten aus der belagerten Rebellenhochburg.

Hunger, Tod und Verletzungen gehören zum Alltag der noch rund 2500 Bewohner der Altstadt und anderer Viertel von Homs, die seit Mitte 2012 von den Truppen des syrischen Regimes eingeschlossen sind. Es ist ein Alltag, der im denkbar brutalsten Gegensatz zum diplomatischen Getriebe an den luxuriösen Gestaden des Genfer Sees steht. Dort, am europäischen Uno-Sitz, beginnt an diesem Montag die zweite Runde der Syrien-Friedensgespräche.

Der erste Anlauf verlief Ende Januar ergebnislos – abgesehen davon, dass sich die hohen Vertreter des Regimes von Baschar al-Assad erstmals dazu herabließen, im selben Raum mit den Abgesandten des Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Allianz zu sitzen. Nicht einmal über die Hilfe für Homs, diesen „winzigen Ausschnitt“ des syrischen Bürgerkriegshorrors mit bislang mehr als 130.000 Toten, konnten sich beide Seiten einigen. Zu einem Abkommen über humanitäre Hilfe kam es erst vor wenigen Tagen, als Russland Druck auf das Assad-Regime ausübte, mit dem es verbündet ist.

Homs überschattet die Fortsetzung der Genfer Gespräche. Dabei ist das noch ein Thema von überschaubarer Konfliktträchtigkeit. Denn geht es erst ans Grundsätzliche, so liegen die Positionen der beiden Seiten Lichtjahre auseinander. „In dieser Runde werden wir darüber diskutieren, was wir und was alle Syrer erwarten: die Bildung einer Übergangsregierung (ohne Assad)“, sagte der Oppositionsdelegierte Burhan Ghaliun.

Für die Abordnung des Assad-Regimes ist das jedoch ein rotes Tuch. Stattdessen will sie, wahrscheinlich wieder angeführt vom besonders konfrontativen Außenminister Walid al-Muallem, nur über Maßnahmen gegen den „Terrorismus“ reden.

Mit diesem Begriff brandmarkt das Regime in Damaskus jede Form der Opposition, selbst die friedliche. Doch zugleich wird der bewaffnete Widerstand längst von mehr oder weniger extremistischen Milizen dominiert. Einige davon stehen dem Terrornetzwerk al-Qaida nahe. Sie aber sind in der syrischen Oppositionsdelegation in Genf gar nicht vertreten. Das wirft auch die Frage auf, was das Oppositionsbündnis an Vereinbarungen wird durchsetzen können.

Doch derzeit ist das eine eher theoretische Frage. In Syrien wird weiter gelitten, gehungert und gestorben. Nicht nur in Homs, sondern auch in zahllosen weiteren Zonen dieses Konflikts. Wie etwa in Aleppo, wo Helikopter des Regimes täglich Fassbomben – mit Sprengstoff und Nägeln gefüllte Metallzylinder – über den Wohngebieten abwerfen. Sie töten und verstümmeln jedes Mal Dutzende Menschen.

Rami Abdel Rahman, der Leiter der Organisation Syrische Menschenrechtsbeobachter in London, die die Aktivistenberichte aus ganz Syrien akribisch auswertet, war am Sonntag nahezu fassungslos: „Gestern sind in ganz Syrien mehr als 200 Menschen getötet worden, während die internationalen Medien darauf warteten, dass zwei Fahrzeuge nach Homs fuhren.“