Vor dem dritten Jahrestag der Anti-Mubarak-Revolte ist Ägypten gespaltener denn je

Kairo. Das hatten die Bürger der inneren Bezirke von Kairo so noch nicht erlebt: Kurz nach 6.00 Uhr in der Früh schreckte sie am Freitag eine laute Explosion aus dem Schlaf. Über Chan al-Kalili, der historischen Altstadt, stieg eine schwarze Rauchsäule hoch. Vor dem Sicherheitsdirektorat der Kairoer Polizei hatte sich ein Selbstmordattentäter mit seinem Fahrzeug in die Luft gesprengt. Er riss vier Menschen mit in den Tod. Wenig später explodierten im Westen Kairos zwei weitere Sprengsätze. Der eine Anschlag tötete einen Polizisten, der andere blieb ohne Folgen. Vor einem Kino im Westen Kairos ist am Freitagnachmittag eine vierte Bombe explodiert. Ein Mensch wurde getötet, sieben weitere erlitten Verletzungen.

Drei Jahre nach der Entmachtung des Langzeitherrschers Husni Mubarak und ein halbes Jahr nach dem Sturz seines gewählten islamistischen Nachfolgers Mohammed Mursi hat der Bombenterror Kairo erreicht. Zu dem Anschlag vor dem Sicherheitsdirektorat bekannte sich die al-Qaida-nahe Gruppe Ansar Beit al-Makdis. Sie kommt von der unruhigen Halbinsel Sinai. Auf ihr Konto gehen bisher mehrere Anschläge auf gut geschützte Objekte des ägyptischen Sicherheitsapparats in der Provinz. In Kairo unternahm die Gruppe im letzten Herbst einen Attentatsversuch auf Innenminister Mohammed Ibrahim, der fehlschlug.

Der Selbstmordanschlag am Freitag trug Spuren präziser Planung. Der Attentäter durchbrach die Sperre vor der Zentrale just zu dem Zeitpunkt, als deren Besatzung wegen der morgendlichen Wachablöse abgelenkt war. Die massive Beschädigung des gegenüberliegenden Museums für Islamische Kunst nahmen die Terroristen in Kauf. Die Nerven liegen blank, Ausländer können schnell zu Sündenböcken werden. Der ARD-Kameramann Martin Krüger und zwei seiner ägyptischen Mitarbeiter entgingen beim Drehen am Anschlagsort nur knapp einem Lynchmord. Sie wurden als „Verräter“ beschimpft, geschlagen und mit Rasierklingen verletzt. Im privaten Fernsehsender al-Hajat rief ein Anrufer die Menschen dazu auf, „Terrorverdächtige“ durch sogenannte „Bürger-Festnahmen“ dingfest zu machen.

An diesem Sonnabend begeht Ägypten den dritten Jahrestag des Beginns der Revolte, die 18 Tage später in den Sturz Mubaraks mündete. Die Ansar-Terroristen wählten den Zeitpunkt ihres Anschlags offenbar in der Absicht, die gespannte Situation weiter zuzuspitzen. Doch auch die gegenwärtigen Machthaber tragen zur Eskalation bei. Sie wollen den Gedenktag mit großen Jubel-Kundgebungen vereinnahmen.

Die Revolutionäre von damals empfinden das als puren Zynismus. Viele ihrer Führer sitzen wegen des Verstoßes gegen repressive Gesetze im Gefängnis, wie sie schon zu Mubaraks Zeiten gegolten hatten. Die Regierung glorifiziert nun jene Polizei als „Retterin der Demokratie“, deren Willkür und Brutalität die Menschenmassen vor drei Jahren gegen Mubarak zusammengeschweißt haben.