Kairo. Nach dem von der Muslimbruderschaft boykottierten Verfassungsreferendum erhöht Ägyptens Regierung den Druck auf Ex-Präsident Mohammed Mursi. Der aus der islamistischen Vereinigung hervorgegangene Politiker steht nach Informationen aus Justizkreisen vor einer neuen Anklage – der vierten seit seinem Sturz durch das Militär im Juli. Mursi müsse sich nun auch wegen Beleidigung des Gerichts verantworten, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person am Sonntag. Die ägyptische Führung geht massiv gegen die Muslimbrüder vor. Deren Anhänger blieben der Volksabstimmung fern, die laut den Behörden eine überwältigende Mehrheit für die neue Verfassung ergab.

Mit Mursi würden im Fall der Gerichtsbeleidigung 24 weitere Personen angeklagt. Bei einigen handele es sich um liberale Politiker, die sowohl Mursis Präsidentschaft als auch die vom Militär gestützte Übergangsregierung kritisiert hätten. Damit wächst in Ägypten auch der Druck auf weltlich gesinnte Politiker, die schon 2011 zum Sturz des langjährigen Präsidenten Husni Mubarak beigetragen hatten.

Gegen Mursi läuft ein Verfahren wegen Anstiftung zur Gewalt. Zudem wird ihm Verschwörung mit der Hamas, der Hisbollah und dem Iran vorgeworfen. Auch wegen seiner Rolle bei einem Massenausbruch aus einem Gefängnis während des Aufstands gegen Mubarak muss er sich verantworten. Deshalb soll er am 28. Januar vor Gericht erscheinen. Die Verfahren gegen Mursi kamen bisher nicht voran, der Auftakt wurde unter Tumulten abgebrochen.

Die Zustimmung zu der Verfassung betrug dem amtlichen Endergebnis vom Sonnabend zufolge 98,1 Prozent. Allerdings beteiligte sich mit 38,6 Prozent nur gut ein Drittel der Bürger an der Abstimmung am Dienstag und Mittwoch – deutlich weniger als Regierungsmitarbeiter vorausgesagt hatten. Mit der breiten Zustimmung war allgemein gerechnet worden. Der zur Abstimmung gestellte Verfassungsentwurf wurde von dem Teil der Bevölkerung befürwortet, der auch die Entmachtung Mursis unterstützte.