Mailand. „Welche Gegenmaßnahmen habt ihr getroffen?“ und „Warum gab es Vertuschungsversuche?“: Das sind zwei der vielen kritischen Fragen, die der Uno-Ausschuss für die Rechte des Kindes dem Vatikan stellt. Eine sechsköpfige Delegation des Heiligen Stuhls reiste vergangene Woche nach Genf und gab Auskunft über eines der delikatesten Themen der katholischen Kirche: der Missbrauch an Kindern durch Geistliche.

Bereits 1990 unterschrieb der Vatikan die Kinderschutzkonvention der Vereinten Nationen. 2001 unterzeichnete er die Zusatzprotokolle gegen Prostitution und Pornografie sowie gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Doch trotzdem haperte es lange Zeit mit der Auskunftsfreudigkeit und der Entschlossenheit des Heiligen Stuhls. Geantwortet und gehandelt wurde, wenn überhaupt, zaghaft. Selbst noch im Dezember 2013 weigerte sich der Vatikan, den umfassenden Fragebogen des Uno-Ausschusses auszufüllen. Zu Einzelfällen äußerte er sich gar nicht.

Immerhin wird Besserung gelobt. „Die katholische Kirche will zu einem Musterbeispiel im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern werden“, sagte Erzbischof Silvano Maria Tomasi, der als Vertreter des Heiligen Stuhls der Vereinten Nationen in Genf die Delegation führt. Begleitet wurde er von dem maltesischen Bischof Charles Scicluna, dem früheren Strafverfolger bei der Glaubenskongregation.

„Bis vor rund einem Jahrzehnt reagierte die Kirche wie die Gesellschaft. Wenn es ein Problem gab, auch in der Regierung oder in den Schulen, wurde versucht, es ohne großen Aufhebens zu beseitigen. Dieser Ansatz hat sich als falsch erwiesen. Jetzt wird mit großer Strenge vorgegangen“, sagte Tomasi.

Um das zu unterstreichen, präsentierte der Vatikan Zahlen. 384 katholische Priester wurden 2011 und 2012 wegen sexuellen Missbrauchs vom Vatikan abgesetzt, berichtete die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf den Bericht des Heiligen Stuhls in Genf.

Davon entfielen rund 260 auf das Jahr 2011 und 124 auf das Jahr 2012. Es waren die beiden letzten Amtsjahre von Benedikt XVI. Allerdings lägen die Vergehen teilweise länger zurück, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi, der die Zahlen bestätigte. Insgesamt wurden im Jahr 2011 nach den Angaben des Vatikans 659 Geistliche in den Laienstand versetzt, ein großer Teil aufgrund von Zölibatsproblemen.

Papst Benedikt, von 2005 bis zum Frühjahr 2013 Oberhaupt der katholischen Kirche, rief eine Null-Toleranz-Politik gegenüber den Tätern aus. Papst Franziskus prangerte den Skandal jüngst als „die Schande der Kirche“ an.