EU und Außenminister Steinmeier rügen geplante Einschränkung von Grundrechten

Berlin. Die geplante Beschneidung des Demonstrationsrechts in der Ukraine hat Warnungen vor einer heraufziehenden Diktatur hervorgerufen. Wenn Präsident Janukowitsch die am Donnerstag beschlossenen Gesetze in Kraft setzen sollte, „werden sie jeden Ausdruck zivilen Ungehorsams unterbinden, die Tür für Repressionen öffnen und die Ukraine in eine Diktatur verwandeln“, warnte Transparency International.

Die Bundesregierung kritisierte das Vorhaben von Präsident Viktor Janukowitsch als Einschüchterungsversuch und „Abkehr von europäischen Werten“. „Der von Präsident Janukowitsch eingeschlagene Kurs führt in eine Sackgasse“ und sein Land „nur weiter weg von Europa“, erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die politische Debatte über Kiews Absage an ein Assoziierungsabkommen mit der EU dürfe nicht unterdrückt werden. Regierungssprecher Steffen Seibert deutete Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Ukraine mit der EU an. „Mit großer Sorge“ würden in Berlin „Anzeichen der Einschüchterung“ in der Ukraine beobachtet, etwa Gewalt gegen Journalisten und drohende Sanktionen für Oppositionelle und Nichtregierungsorganisationen.

Das ukrainische Parlament hatte am Donnerstag Gesetze verabschiedet, mit denen künftig etwa das ungenehmigte Aufbauen von Bühnen und Zelten auf öffentlichen Plätzen mit 15 Tagen Haft bestraft werden kann. Außerdem drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis für die Blockade öffentlicher Gebäude. Vermummte Demonstranten und die Beteiligung an Autokorsos können mit Geldbußen bestraft werden. Auch die Strafen für „Verleumdungen im Internet“ wurden verschärft.

Das EU-Parlament sieht sich an die „autoritäre Sowjet-Vergangenheit“ erinnert. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sprach von einer „überstürzten“ Einschränkung der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte Janukowitsch auf, die Gesetzesentwürfe nicht zu unterzeichnen. Sollte er es dennoch tun, würde dies „die Ukraine in ihre autoritäre Sowjet-Vergangenheit zurückstoßen“ und „sogar von der zivilisierten Welt“ abbringen. „Diese Gesetzgebung scheint den demokratischen Prinzipien und den Rechten der Bürger zuwiderzulaufen“, sagte ein Sprecher des für die Nachbarschaftspolitik zuständigen EU-Kommissars Stefan Füle in Brüssel. Auch das US-Außenministerium kritisierte die Beschlüsse vom Vortag als undemokratisch.

Die ukrainischen Regierungsgegner sprachen von einem Verstoß gegen die Verfassung und fürchten, ihr Protestlager auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew und das besetzte Rathaus räumen zu müssen. Sie demonstrieren seit November gegen Janukowitschs Entscheidung, ein über Jahre ausgehandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Für Sonntagmittag rief die Opposition zu ihrer achten Massendemonstration auf.

Oppositionsführer Vitali Klitschko schrieb in der „Bild“-Zeitung, er fühle sich durch die jüngsten Ereignisse in Kiew „an Nordkorea und seine Diktatur erinnert“. Der von vielen als politischer Hoffnungsträger angesehene Oppositionsführer Klitschko forderte eine Untersuchung durch das EU-Parlament. Er sei durch einen Gerichtsbeschluss von den Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen worden, weil nunmehr niemand teilnehmen dürfe, der „innerhalb der letzten zehn Jahre einen Zweitwohnsitz in einem anderen Land hatte“, beklagte Klitschko.