Präsident will Kontrolle und Auslagerung gesammelter Informationen an Telefonkonzerne. Auf Spionage auch bei Freunden verzichtet er aber nicht

Washington. US-Präsident Barack Obama kündigte bei einer schon im Vorfeld intensiv diskutierten Rede wichtige Änderungen für die künftige Arbeit der National Security Agency(NSA) an. Aber einen radikalen Bruch mit den Praktiken des Geheimdienstes, die durch dessen ehemaligen Mitarbeiter Edward Snowden enthüllt wurden, sucht er zu vermeiden. Und damit machte er jene, die noch umfangreichere Reformen gefordert hatten, ebenso wenig glücklich wie andere, die schon in diesen Maßnahmen eine Schwächung des Kampfes gegen den Terrorismus wähnen.

Mehr Kontrolle, die Berufung von Bürgeranwälten und die Beschneidung des direkten Zugriffs der NSA auf die Daten, das sind die zentralen Forderungen des Präsidenten. Gegenüber verbündeten Staaten versprach Obama mehr Zurückhaltung, ohne aber Spionage generell auszuschließen: „Ich habe den Geheimdiensten klargemacht, dass wir die Kommunikation der Staats- und Regierungschefs unserer engen Freunde und Verbündeten – außer im Falle eines dringenden Interesses nationaler Sicherheit – nicht abhören.“ Mit anderen Worten: Die Bundeskanzlerin ist aus dem Schneider, aber Außenminister und Abgeordnete dürfen beim Telefonieren weiterhin davon ausgehen, dass der Freund gelegentlich mithört. In Washington ist zu hören, insbesondere die Verärgerung von Angela Merkel über die Lauschattacken gegen ihr Handy habe den Präsidenten merklich beeindruckt.

Zu den wichtigsten und kompliziertesten Ankündigungen gehört die Auslagerung der Metadatenspeicherung vom Geheimdienst zu den Telefongesellschaften, bei denen sie anfallen. Dabei handelt es sich um die Telefonnummern der Gesprächsteilnehmer sowie den Zeitpunkt und die Dauer des Telefonats. Bei den Gesellschaften sollen sie für insgesamt fünf Jahre vorgehalten werden. In dieser Zeit käme der Geheimdienst nur mit einem Beschluss des FISC-Gerichts (Foreign Intelligence Surveillance Court) zur Überwachung der Auslandsgeheimdienste an die Daten. Bislang arbeitet FISC ausgesprochen diskret und ohne Beteiligung von Anwälten; Anträge der NSA, auf Daten von Bürgern zuzugreifen, funktionierten darum quasi als Selbstläufer.

Die Richter gaben nach eigener Darstellung in 75 Prozent, nach Berechnungen ihrer Kritiker gar in 99 Prozent der Fälle dem Begehren statt. Künftig soll ein vom Kongress eingerichtetes Panel von Anwälten von außerhalb der Regierung als Vertreter der Bürgerinteressen in die Entscheidungen eingebunden werden.

Die grundsätzliche Idee hinter der Überantwortung der Metadaten an die Telefonkonzerne: Lagern sie bei (je nach Telefonanschluss) unterschiedlichen privaten Firmen, erscheint ihr möglicher Missbrauch weniger wahrscheinlich als bei der zentralen Erfassung durch eine Geheimdienstbehörde. Doch die Telefongesellschaften sperren sich bislang gegen diese Vorratsdatenspeicherung; sie müssten umfangreiche zusätzliche Serverkapazitäten schaffen, um die Metadaten aller in und aus den USA heraus getätigten Telefonate für ein halbes Jahrzehnt zu speichern.

Die Experten hatten in ihrem 308-seitigen Bericht, zu dem sie in dieser Woche auch im Geheimdienstausschuss des Senats befragt worden waren, die Effizienz des Sammelns der Metadaten bezweifelt. Es gebe keinen Fall, in dem durch diese Maßnahme ein Terrorschlag verhindert worden sei. Obama hingegen behauptete in seiner Rede, diese Technik habe zur Verhinderung etlicher Attacken weltweit geführt. Aktenkundig ist bislang jedoch nur dieser Fall: Basaaly Mosalin, ein Taxifahrer in San Diego, und zwei Komplizen wurden überführt, 10.900 Dollar an die terroristische Vereinigung al-Shabab in ihrer somalischen Heimat überwiesen zu haben. Ein Gericht verurteilte Mosalin im November zu 18 Jahren Haft. Auch zwei Komplizen müssen für 13 beziehungsweise zehn Jahre hinter Gitter.

Gleichwohl räumte Obama ein, es könne nicht nur darum gehen, „was wir tun können, sondern auch, ob wir es tun sollen“. Im Juni, unmittelbar nachdem sich (der von Obama namentlich erwähnte) „Mr. Snowden“ von seiner NSA-Arbeitsstelle auf Hawaii über Hongkong nach Russland absetzte, hatte er die grundsätzliche Berechtigung der Datensammlung bejaht. „Sie können nicht 100 Prozent Sicherheit und gleichzeitig 100 Prozent Datenschutz und null Prozent Unannehmlichkeiten haben“, sagte er damals.

Mit seinen Reformankündigungen greift Obama einige der 46 Empfehlungen auf, die ein vom Weißen Haus eingesetztes Expertengremium eine Woche vor Weihnachten vorgelegt hatte. Andere Vorschläge aus dem 308-seitigen Papier der fünfköpfigen Gruppe ignorierte er allerdings. Dazu gehört die Forderung, die NSA künftig zu teilen in einen Geheimdienst unter der Führung eines Zivilisten, der vom Senat bestätigt werden müsste, und ein militärisches Oberkommando für die Cyber-Kriegsführung.

„Die Arbeit hat begonnen“, sagte der Präsident. Die Umsetzung der Reformen will der Präsident weitgehend dem Kongress und dem Justizministerium in Abstimmung mit den Erfordernissen des Geheimdienstes überlassen. Bis zum 28. März soll Justizminister Eric Holder ein praktikables Verfahren vorschlagen. Die Bundesregierung hat die Ankündigung Obamas begrüßt, das Ausspähen von Ausländern stärker zu beschränken. „Mit Recht sind viele Menschen in Deutschland aufgrund der Berichterstattung über die Aktivitäten der NSA um die Sicherheit ihrer privaten Daten besorgt“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Für die Bundesregierung gelte nach wie vor, „dass auf deutschem Boden deutsches Recht zu respektieren ist, auch von unseren engen Partnern und Verbündeten“.