KZ-Überlebende protestieren gegen Ball reaktionärer Organisationen in Wiener Hofburg

Wien. Die Wiener Hofburg, in der einst die Habsburger residierten, dient nicht nur dem österreichischen Bundespräsidenten als Amtssitz, sondern auch als Schauplatz für jährlich mehr als 300 Veranstaltungen mit insgesamt gut 300.000 Gästen. Keine davon dürfte dem Konsortium aus bekannten Tourismusunternehmen wie dem Hotel Sacher, die Teile der Hofburg gepachtet haben, jedoch so viel Ärger bescheren wie jene mit dem unverdächtig klingenden Namen „Akademikerball“.

Die Veranstaltung, die Freitag in einer Woche offiziell erst zum zweiten Mal stattfindet, gilt als Nachfolger des Balls des Wiener Korporationsrings (WKR) – einem Verband von Studentenverbindungen, die das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als deutschnational bis rechtsextrem einstuft. Dass Burschenschafter gerne mit prominenten Gesinnungsgenossen aus ganz Europa, etwa Front-National-Chefin Marine Le Pen, Filip Dewinter von Vlaams Belang oder dem wegen Volksverhetzung verurteilte NPD-Funktionär Jörg Hähnel, feierten, sorgte jahrelang für heftige Proteste – und schließlich für die Auflösung des Vertrages mit den Betreibern des Kongresszentrums Hofburg.

Seit vergangenem Jahr richtet anstelle des Korporationsrings die FPÖ Wien den Ball unter seinem neuen Namen aus. Viel mehr hat sich aber nicht geändert, selbst der Organisator des Spektakels, ein FPÖ-Landtagsabgeordneter namens Udo Guggenbichler, hat sein Amt behalten. Dutzende Organisationen, von den Wiener Grünen und der Sozialistischen Jugend bis zur Israelitischen Kultusgemeinde und der Katholischen Aktion, planen unter dem Motto „Jetzt Zeichen setzen“ erneut zahlreiche Gegenveranstaltungen. Der Ball diene aber auch der linksextremen Szene als „zentrales Protestziel“, schreibt die Tageszeitung „Die Presse“. Auch in diesem Jahr würden Busse aus ganz Österreich und aus Deutschland organisiert, um vor der Hofburg gegen den Ball zu demonstrieren.

Für Aufsehen im Vorfeld des Balls sorgte auch ein offener Brief von KZ-Überlebenden an die Betreibergesellschaft des Kongresszentrums in der Hofburg. Sie seien fassungslos, dass die im Eigentum der Republik stehende Hofburg noch immer ihre Tore für Vertreter rechtsextremer Vereine öffne, schrieben die sechs Unterzeichner des Briefes. Damit würden Vertreter von Vereinen willkommen geheißen, die Holocaust-Leugnern eine Bühne geboten und die Opfer des Nationalsozialismus immer wieder verhöhnt hätten. Lobende Worte fanden die Unterzeichner hingegen für die Stadt Innsbruck. Deren Bürgermeisterin hatte im Herbst dafür gesorgt, dass ein Treffen des Dachverbands Deutsche Burschenschaft nicht in der Innsbrucker Messehalle stattfinden konnte. Die Stadt ließ als Mehrheitseigentümerin der Messe einen bereits abgeschlossenen Vertrag mit den Korporierten auflösen.

In Wien ist ein solches Szenario vorerst unwahrscheinlich, auch wenn sich mit der sozialdemokratischen Parlamentspräsidentin Barbara Prammer inzwischen eine Vertreterin einer Regierungspartei für eine Absage des Balls ausgesprochen hat. „Derartige Bälle sind schon ein Anlass der Provokation“, sagte sie, deshalb solle man „auf die Überlebenden hören“. Ob das für Umdenken bei den Betreibern des Kongresszentrums in der Hofburg sorgen wird, bleibt abzuwarten. In einem Antwortschreiben an die KZ-Überlebenden haben sie sich auf ihre „politisch neutrale Position“ zurückgezogen, die inhaltliche Gestaltung des Balles liege in den Händen der Veranstalter.

Besonders heftig waren die Proteste gegen den Ball 2012, als er ausgerechnet am internationalen Holocaust-Gedenktag stattfand. Die Unesco strich den Wiener Ball aus ihrem Verzeichnis für immaterielles Kulturerbe, als bekannt wurde, dass eine in diesem Zusammenhang eingereichte Liste von Wiener Traditionsbällen auch den umstrittenen WKR-Ball enthielt. Bei Gegendemonstrationen wurden fünf Polizisten, drei Ballgäste und ein Demonstrant verletzt.