Papst und Bischöfe rufen zu mehr Solidarität auf. Steigende Asylbewerberzahlen stellen Kommunen vor Probleme

Berlin/Rom. Papst Franziskus und die Kirchen in Deutschland haben zu Weihnachten zu größerer Solidarität mit Flüchtlingen aufgerufen und Änderungen im Asylrecht gefordert. Der Papst ging in der ersten Weihnachtsbotschaft seiner Amtszeit auf die Flüchtlingsdramen vor der Mittelmeerinsel Lampedusa ein. Solche Tragödien dürften „nie wieder geschehen“, sagte er vor der Erteilung des traditionellen Segens Urbi et Orbi in Rom. Franziskus forderte ein Ende der Gewalt im Südsudan, in Zentralafrika und Nigeria. „Der Friedensfürst bekehre überall die Herzen der Gewalttätigen, damit sie die Waffen niederlegen und der Weg des Dialogs aufgenommen wird“, wünschte er. Die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern sollten zu einem glücklichen Ergebnis kommen, die Wunden im Irak geheilt werden. Er beklagte auch die Gewalt gegen Christen in vielen Ländern.

Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, forderte ein neues Asylrecht. Die Regelung müsse aufgehoben werden, dass Flüchtlinge in der Europäischen Union Asyl immer in dem Land beantragen müssen, über das sie in die EU eingereist sind. Ländern wie Italien und Griechenland, in denen viele Migranten landen, einfach mehr Geld zu überweisen, reiche nicht aus, sagte Schneider im Westdeutschen Rundfunk. „Wir haben eine humanitäre Pflicht, Flüchtlingen zu helfen.“ Schneider, warf der Europäischen Union eine Abschottungspolitik vor: „Wir bauen Europa zur Festung aus.“ Die Sicherheitsmaßnahmen an den Grenzen wehrten Menschen ab. In vielen Fällen würden dabei Grundrechte verletzt.

Italien hat das Aufnahmelager auf der Insel Lampedusa nach Berichten über schwere Missstände dort zu Weihnachten nahezu ganz geräumt. Nur 17 Migranten seien in dem Zentrum verblieben, in dem oftmals 1000 und mehr Menschen auf engstem Raum unterbracht waren, berichteten italienische Medien. 169 Flüchtlinge waren von Lampedusa aus nach Sizilien oder aufs Festland gebracht worden. Von den restlichen Migranten auf der Insel sei die Identität noch nicht mit Sicherheit festgestellt worden, heißt es.

Eine offensichtlich schockierende Behandlung von Flüchtlingen in dem Aufnahmezentrum hatte vor acht Tagen Italien empört. Bilder des RAI-Fernsehens zeigten, wie sich Migranten reihenweise nackt an einer Wand aufstellen mussten, um mit einer angeblich desinfizierenden Flüssigkeit, die gegen Krätze helfen soll, abgespritzt zu werden. Italiens Regierungschef Enrico Letta hatte daraufhin bessere Standards in den Zentren versprochen, zumal es auch in anderen Aufnahmelagern Proteste von Migranten gibt. Dabei geht es oft auch um drohende Ausweisungen.

Stark steigende Asylbewerberzahlen stellen unterdessen Länder und Kommunen in Deutschland zunehmend vor Probleme. Weil viele Unterkünfte mittlerweile überbelegt sind, suchen die Behörden händeringend nach neuen Plätzen für die Flüchtlinge. Dazu werden etwa ehemalige Schulen und Kasernen umgebaut oder Wohncontainer aufgestellt. Das kostet Millionen, die anderswo fehlen. Der Städte- und Gemeindebund fordert von Bund und Ländern deshalb mehr Unterstützung für Kommunen. „Man darf die Gemeinden bei der Aufnahme von Flüchtlingen nicht im Regen stehen lassen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

„Besonders die teure ärztliche Versorgung der zum Teil schwer traumatisierten Menschen aus Bürgerkriegsländern darf nicht allein auf die Städte und Gemeinden abgewälzt werden.“ Zudem müssten Bund und Länder die Kommunen bei der Suche nach neuen Unterkünften unterstützen und zum Beispiel nicht genutzte Bundeswehr-Kasernen oder Liegenschaften der Länder bereitstellen. Hintergrund sind stark steigende Asylbewerberzahlen. 2007 zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch rund 19.000 Asylanträge, 2012 waren es bereits fast 65.000. Für 2013 rechnet die Behörde mit bis zu 110.000 Anträgen. So viele Menschen kamen zuletzt 1997. Die Flüchtlinge werden nach einem speziellen Schlüssel auf die Bundesländer verteilt, die für die Unterbringung zuständig sind.

Die Unterbringung birgt oft gesellschaftlichen Sprengstoff, den sich Rechtsextreme zunutze machen. So verdoppelten sich die Angriffe auf Flüchtlingsheime im laufenden Jahr nahezu. Die Zahl rechtsextrem motivierter Delikte, bei denen eine Asylunterkunft Tatort oder Angriffsziel war, sei von 24 im Jahr 2012 auf 43 bis Ende November dieses Jahres gestiegen, berichtete die Linke-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke unter Berufung auf eine parlamentarische Anfrage.

Verteilt auf die Bundesländer werden die Flüchtlinge nach dem „Königsteiner Schlüssel“. Die Quote richtet sich nach Bevölkerungszahl und Steuereinnahmen der Länder. Nordrhein-Westfalen muss so als bevölkerungsreichstes Bundesland mit 21,2 Prozent die meisten Asylbewerber aufnehmen, Hamburg drei und Bremen mit 0,9 Prozent die wenigsten.