Havanna. Liberalisierung der Ausreisebestimmungen, Öffnung zur Privatwirtschaft und Freilassung politischer Geiseln: Nichts hat Kubas Präsident Raúl Castro in den vergangenen Jahren ausgelassen, um seinen politischen Kuschelkurs mit den USA vorzubereiten. Am Wochenende ging Havannas Machthaber auch verbal in die Offensive: „Wir glauben, dass wir eine zivilisierte Beziehung aufbauen können“, sagte der Erste Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas. Castro bietet den USA einen „Dialog auf Augenhöhe“ an: „Wenn wir wirklich bei den bilateralen Beziehungen vorankommen wollen, müssen wir gegenseitig unsere Unterschiede achten lernen und uns daran gewöhnen, friedlich mit ihnen zu leben.“

Raúl Castro, 82, ist seit fünf Jahren als Präsident des Staats- und des Ministerrats der starke Mann auf Kuba. Der fünf Jahre jüngere Bruder von Revolutionsführer Fidel Castro nutzt damit geschickt die internationale Aufmerksamkeit, die sein nicht geplanter Handschlag mit US-Präsident Barack Obama am Rande der Trauerfeier für Nelson Mandela in Südafrika erfuhr. Das Ende der politischen Eiszeit eröffnet für beide Seiten große Chancen. Kubas Planwirtschaft kommt seit Jahrzehnten nicht in die Gänge. Die vorsichtigen marktwirtschaftlichen Reformen, die Castro vor gut zwei Jahren anstieß, üben zusätzlichen Druck aus, denn die nun zugelassenen Kleinunternehmen fahren erste Erfolge ein, die Unruhe und unbequeme Fragen zur kommunistischen Planwirtschaft in der kubanischen Bevölkerung auslösen. Fast eine halbe Million Kubaner arbeiten mittlerweile als Freiberufler. Die Liberalisierung der Ausreisebestimmungen haben mehr als 250.000 Kubaner in Anspruch genommen. Nicht wenige von ihnen berichten nach ihrer Rückkehr in der Heimat davon, was in anderen nicht kommunistischen Ländern möglich ist.

Doch nicht nur für Kuba könnte der Dialog eine echte Chance sein. Die USA sind in Lateinamerika politisch nahezu komplett isoliert. Selbst konservative Regierungen wie Kolumbien oder Honduras schlossen sich auf dem jüngsten Amerikagipfel der Forderung an, dass die USA das jahrzehntelange Embargo gegen die Karibikinsel endlich beenden. Das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu ihrem mittlerweile nahezu komplett links regierten Hinterhof ist zerrüttet.