Bei seiner Presseshow überrascht Russlands Präsident Putin mit Freilassung von Pussy Riot und Chodorkowski

Moskau. Die größte Sensation hat der russische Präsident Wladimir Putin sich für das Ende seiner großen Jahrespressekonferenz vor 1300 Journalisten aus aller Welt aufgespart. Fast beiläufig, als er schon auf dem Weg zum Ausgang war, sagte er, dass der ehemalige Oligarch und Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski begnadigt werde. Lange weigerte sich der ehemalige Chef des Öl-Konzerns Jukos, der seit zehn Jahren im Gefängnis sitzt, ein Begnadigungsgesuch zu stellen. Doch vor Kurzem habe der prominenteste Gefangene Russlands es eben doch getan, sagte Putin. „In der nächsten Zeit wird ein Erlass unterschrieben, der seine Begnadigung ermöglicht“, fuhr er fort. Der Anwalt von Chodorkowski, Wadim Kljugwant, sagte allerdings, sein Mandant habe keine Begnadigungsbitte an Putin geschickt, aber der Präsident habe ein Recht darauf, auch ohne solche Bitte zu begnadigen. Ohne Begnadigung hätte Chodorkowski im August 2014 freigelassen werden müssen.

Vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi im kommenden Februar zeigt sich der Kreml-Herr großzügig. Am Mittwoch hatte das russische Parlament eine Amnestie für Häftlinge beschlossen, etwa Frauen mit minderjährigen Kindern oder Personen, die wegen Rowdytums verurteilt wurden. Darunter fallen auch Frauen aus der Punk-Band Pussy Riot, die nach ihrem Auftritt in der Christus-Erlöser-Kathedrale zu zwei Jahren Haft verurteilt worden waren. Putin bestätigte, dass auch sie amnestiert werden. Seine Einstellung bleibt aber abwertend. „Sie tun mir leid, nicht weil sie im Gefängnis sind, sondern weil sie einen Skandal provoziert haben, was meiner Meinung nach erniedrigend für eine Frau ist.“

Auch Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace, die gegen Ölbohrungen des russischen Erdölkonzerns Gazprom in der Arktis protestiert hatten, profitieren von der Amnestie, die allerdings „nicht ihretwegen verabschiedet“ worden sei. Putin warf Greenpeace vor, den russischen Staat erpressen zu wollen, im Auftrag von jemandem, der Russland daran hindern wolle, an seinem Festlandsockel Öl zu fördern. 30 Aktivisten wurden nach zwei Monaten in russischen Untersuchungsanstalten auf Kaution freigelassen. „Das sollte ihnen eine Lehre sein“, sagte Putin.

Nachdem die Protestwelle des Winters 2011/2012 vorbei war, festigte der russische Präsident seine Macht. Innenpolitisch hat er heute keine Herausforderer. Über die Opposition machte Putin einen seiner berüchtigten Macho-Witze. Die Oppositionellen würden versuchen, „aus ihren Hosen zu springen“, um ihn zu verunglimpfen. „Doch wie man bei uns im Dorf sagt, kann man zwar die Hose verlieren, aber es ist dann gut, wenn etwas drin ist, mit dem man angeben kann. Sonst wird es peinlich.“ Über den Oppositionellen Alexej Nawalny, der im September an den Bürgermeisterwahlen in Moskau teilgenommen hatte, sagte er: „Wenn er für die Machthaber gefährlich wäre, wäre er zu den Wahlen nicht zugelassen worden.“ Auch diese Äußerung des Präsidenten spricht Bände.

Auf die Ukraine ging Putin ebenfalls ein. Er hatte sich mit seinem ukrainischen Amtskollegen Viktor Janukowitsch am Dienstag darauf geeinigt, ukrainische Staatsanleihen im Wert von 15 Milliarden Dollar zu kaufen und Erdgas an die frühere Sowjetrepublik billiger zu verkaufen. Von einem Journalisten aus Kiew wurde er gefragt: „Sie haben uns mit hohen Gaspreisen gewürgt, jetzt senken Sie sie plötzlich. Wie viel sind Sie bereit, noch zu zahlen?“ Putin antwortete: „Wie viel brauchen Sie noch?“ Russland sei bei der Entscheidung über die Finanzhilfe an das „Brudervolk“ nur von seinem guten Willen geleitet worden. „Wir mussten dem ukrainischen Volk in dieser Situation wie nahe Verwandte helfen“, sagte Putin. Niemand habe die Ukraine mit Gaspreisen gewürgt.

Zu den alten Gasverträgen, die mit der Regierung von Julia Timoschenko geschlossen wurden und denen zufolge Kiew für Gas mehr als EU-Länder zahlt, sagte er etwas spöttisch: „Wer unabhängig sein will, muss bereit sein, dafür zu zahlen.“ Russland habe nichts damit zu tun, dass Janukowitsch entschieden habe, das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen. „Wir haben nichts gegen die EU-Annäherung Kiews“, sagte Putin. Allerdings müsse die Ukraine eine pragmatische Entscheidung treffen. Der Übergang zu den Standards der EU würde Hunderte Milliarden Dollar kosten. „Die Ukraine würde zu einem landwirtschaftlichen Anhängsel der EU werden.“

Gefragt nach der Stationierung von den Mittelstreckenraketen „Iskander“ im Gebiet Kaliningrad, sagte Putin, die Entscheidung sei noch nicht endgültig getroffen worden. „Die effektivste Waffe in ihrem Segment“ sei nur „eine Möglichkeit, sich vor den Drohungen zu schützen, die wir um uns herum sehen“. Der US-Raketenschild bedrohe russisches Nuklearwaffenpotenzial, und Russland werde darauf reagieren.

Eine CNN-Journalistin wollte wissen, warum in Russland in der letzten Zeit westliche Werte kritisiert werden. Darauf antwortete Putin, ihm sei wichtig, die russische Bevölkerung vor „einigen Pseudowerten“ zu schützen. Er ging in diesem Zusammenhang auf Homosexuelle ein. „Wir müssen das Volk vor einigen aggressiven Gruppen schützen, die ihre Lebensweise anderen aufdrängen wollen“, sagte er. Die untergegangene Ideologie des Sowjet-Kommunismus müsse in Russland durch traditionelle Werte ersetzt werden. Wegen des Gesetzes, das „Schwulenpropaganda“ verbietet, steht Russland international in der Kritik.