Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ließ seinen Onkel hinrichten. Ein Militärtribunal hatte ihn wegen Hochverrats zum Tode verurteilt

Pjöngjang/Seoul. Der entmachtete Onkel des nordkoreanischen Herrschers Kim Jong-un ist nach offiziellen Angaben wegen Hochverrats hingerichtet worden. Ein Militärtribunal habe Jang Song-thaek am Vortag zum Tode verurteilt, berichteten die Staatsmedien am Freitag. Das Urteil sei sofort vollstreckt worden. Jang habe parteifeindliche und konterrevolutionäre Handlungen begangen, „um die Führung unserer Partei, des Staates und des sozialistischen Systems zu stürzen“. Der 67-Jährige, der lange als graue Eminenz des Regimes galt, habe gestanden.

Südkorea und China äußerten sich angesichts der Vorgänge in Nordkorea besorgt. Auch aus Deutschland kam Kritik: „Die Todesstrafe ist nach Sicht der Bundesregierung kein angemessenes Mittel der Strafe“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, in Berlin.

Jang wurde vorgeworfen, bereits seit dem Tod des früheren Machthabers und Vaters von Kim Jong-un, Kim Jong-il, im Dezember 2011 auf die Machtübernahme hingearbeitet zu haben. Er wurde als „Verräter“ und „abscheulicher menschlicher Abschaum, schlimmer als ein Hund“, beschimpft.

Bis vor Kurzem war Jang noch Vize-Vorsitzender der mächtigen Nationalen Verteidigungskommission und hatte enge Kontakte zu China unterhalten. Weiter wurden ihm Fraktionsbildung, Korruption, Verschwendung von Devisen, unzüchtiger Umgang mit mehreren Frauen, Spielsucht und Ausverkauf von Rohstoffen an China zur Last gelegt.

Nach Meinung von Experten ist in Nordkorea ein Machtkampf im Gange, in dessen Folge politische Säuberungswellen folgen könnten. Nach Informationen des südkoreanischen Geheimdienstes wurden im November zwei enge Gefolgsleute von Jang hingerichtet.

Südkorea sorgt sich um die Stabilität im weithin abgeschotteten Nachbarland. „Wir werden uns auf alle Eventualitäten vorbereiten“, sagte ein Sprecher des Vereinigungsministeriums in Seoul.

Das US-Außenministerium bewertete die Hinrichtung als Zeichen der „extremen Brutalität“ des Regimes. Die US-Regierung verfolge die Vorgänge sehr genau, hieß es. Ein Außenamtssprecher in China sagte, Peking wolle Stabilität auf der koreanischen Halbinsel. Der Sprecher betonte, es handle sich bei den Vorgängen um eine interne Angelegenheit.

Nordkorea hatte die Entmachtung Jangs erst am Montag bestätigt. Ihm seien alle Ämter und Titel entzogen worden. Der südkoreanische Geheimdienst hatte wenige Tage zuvor Abgeordneten in Seoul von der Absetzung Jangs berichtet. Nach Ansicht von Beobachtern festigt der etwa 30-jährige Kim Jong-un durch Jangs Absetzung seine Macht. Politische Säuberungen sind in dem Staat nicht unüblich.

Angesichts der jüngsten Vorgänge in Pjöngjang hatte Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye in dieser Woche das Regime im Nachbarland in scharfem Ton kritisiert und Kim Jong-un eine „Schreckensherrschaft“ vorgeworfen.

Eine unabhängige Bestätigung der Berichte über die Hinrichtung gibt es nicht. Nach Informationen des südkoreanischen Senders Free North Korea Radio (FNK), der von nordkoreanischen Flüchtlingen betrieben wird, ließ das kommunistische Regime den 67-jährigen Jang und einige seiner Gefolgsleute bereits in der vergangenen Woche hinrichten. Bilder des Staatsfernsehens, die die Festnahme Jangs am vergangenen Sonntag bei einer Sitzung des Politbüros der herrschenden Arbeiterpartei zeigten, seien manipuliert gewesen, hatte FNK schon am Dienstag berichtet. Die Hinrichtung markiert einen politischen Absturz, wie er in der jüngeren Geschichte des kommunistischen Landes noch nicht vorgekommen ist. Und sie ist das Ende des spektakulärsten Machtkampfs seit Jahrzehnten.

Jang stammt aus der nordostkoreanischen Grenzstadt Chongjin. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, doch war er so intelligent, dass er zur angesehenen Kim Il Sung University in Pjöngjang zugelassen wurde. Vom Kommunalbeamten und Ausbilder der Kommunistischen Partei schaffte er den Aufstieg zur Nummer zwei im Staat.

Die Karriere war steil – zuletzt galt Jang auch als Kontaktmann zu Nordkoreas Verbündetem China und als wichtiger wirtschaftspolitischer Vordenker des bitterarmen Landes, doch war sie nicht ohne Brüche. Nach der Jahrtausendwende war er schon mal von der Macht entfernt worden und musste für zwei Jahre ins Arbeitslager, wie Kim Young-soo sagt, ein Nordkorea-Experte der südkoreanischen Sogang University in Seoul. Die Strafmaßnahme wurde später als Dämpfer interpretiert.

In ihrer Abrechnung mit Jang brachten die Staatsmedien eine beachtliche und auch weit zurückreichende Reihe von Verfehlungen vor. Jang habe versucht, sich mit Vetternwirtschaft ein „kleines Königreich“ aufzubauen. Er habe einen Putsch gegen seinen Neffen geplant. Er trage Schuld an der schlechten Qualität von Baumaterial, habe heimlich mit seltenen Metallen gehandelt und zur Privatwirtschaft ermuntert. Zuletzt eine Art Majestätsbeleidigung: Jang habe dafür gesorgt, dass eine Skulptur mit Kims Unterschrift im Schatten platziert wird.