Präsident schickt Delegation nach Brüssel. Barrikaden der Opposition geräumt

Kiew. Nach neuen Ausschreitungen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften in Kiew bemüht sich die ukrainische Staatsführung anscheinend um eine Verhandlungslösung. Präsident Viktor Janukowitsch kündigte an, dass eine Delegation am Mittwoch zu Beratungen mit der EU-Kommission nach Brüssel reisen werde.

Mitglieder der Spezialeinheit „Berkut“ (Steinadler) hatten Regierungsgegner vor dem Sitz des Präsidenten im Zentrum der Hauptstadt mit Schlagstöcken vertrieben. Mindestens zehn Demonstranten wurden verletzt. Die Barrikaden vor den Parlaments- und Präsidentschaftsgebäuden wurden vollständig abgeräumt. Dennoch harrten am Dienstag auf dem Unabhängigkeitsplatz noch mehrere Hundert Oppositionsanhänger aus – bei Schneefall und Temperaturen von minus sieben Grad.

Im Bemühen um einen Ausweg aus der politischen Krise traf sich Janukowitsch mit seinen Amtsvorgängern Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko. Im Anschluss verurteilte er Aufrufe zur Revolution aus den Reihen der Opposition als „Bedrohung für die nationale Sicherheit“.

EU-Beauftragte Ashton sprach mehrere Stunden mit Janukowitsch

Allerdings bat Janukowitsch die Staatsanwaltschaft auch, einige festgenommene Demonstranten wieder freizulassen, und deutete eine Mitverantwortung der Sicherheitskräfte an der Gewalt an: „Es gibt Schuldige auf beiden Seiten.“ Boxweltmeister Wladimir Klitschko rief beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Sein Bruder Vitali ist einer der prominentesten Oppositionspolitiker des Landes.

Mit welchem genauen Auftrag und Ziel die Regierungsdelegation nach Brüssel reisen sollte, blieb am Dienstag offen. Janukowitsch hatte die Vorbereitungen für ein lange geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU Ende November überraschend gestoppt und damit die Massenproteste ausgelöst. Die Opposition verlangt seinen Rücktritt, weil er das Land nicht dem Westen öffne, sondern stärker an Russland binde.

EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die in Kiew zwischen den Lagern vermitteln will, führte am Dienstag ein mehrstündiges Krisengespräch mit Janukowitsch. Bei dem dreieinhalbstündigen Treffen seien „alle relevanten Themen angesprochen worden“, erklärte Ashtons Sprecherin anschließend über den Kurzbotschaftendienst Twitter. Als Zeichen der Solidarität mit den pro-europäischen Demonstranten in der Ukraine begab sich die EU-Chefdiplomatin später persönlich zum Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Kiew. Zuvor hatte schon der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Stefan Füle der Ukraine Unterstützung auf dem Weg in die Modernisierung zugesichert. „Wir wollen auch den Dialog mit Russland weiternutzen, um klarzustellen, dass unser Abkommen mit der Ukraine in keiner Weise russische Interessen verletzt.“