Wem gehören die unbewohnten Eilande vor der Küste? Im Dauerkonflikt mit Japan nimmt Peking sich die Lufthoheit über dem Ostchinesischen Meer

Peking/Tokio . Es ist ein gewagtes Spiel. Mit der Schaffung einer eigenen Luftverteidigungszone im Ostchinesischen Meer verändert China die Einsatzregeln für seine Streitkräfte. Chinesische Kampfjets dürfen demnach künftig im Luftraum über dem umstrittenen Seegebiet gegen japanische Flugzeuge vorgehen, wenn diese nicht ihren Befehlen folgen. Damit wächst die Gefahr einer Konfrontation zwischen chinesischen und japanischen Militärflugzeugen. Ein solcher Zwischenfall könnte der Zündfunke für einen militärischen Konflikt in Ostasien werden, in den zwangsläufig auch die USA als Sicherheitspartner Tokios hineingezogen werden könnten.

China und Japan streiten bereits seit Langem über eine japanisch Senkaku und chinesisch Diaoyu genannte, unbewohnte Inselgruppe. Sie liegt nun in der von Peking definierten Sicherheitszone. Die Gegend gilt als fischreich, außerdem werden im Meeresboden Rohstoffe vermutet. In der neuen Luftverteidigungszone droht China mit militärischen Gegenmaßnahmen, falls sich ausländische Flugzeuge nicht zu erkennen geben oder deren Piloten die Anweisungen der chinesischen Luftwaffe nicht befolgen.

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe sieht darin eine „äußerst gefährliche Angelegenheit“. Ähnlich warnt US-Verteidigungsminister Chuck Hagel: „Dieses einseitige Vorgehen erhöht das Risiko von Missverständnissen und Fehlkalkulationen.“ Die USA rufen China zur Zurückhaltung auf.

Die chinesische Regierung wies am Montag die Proteste aus Tokio und Washington zurück. Die USA wurden aufgefordert, sich aus dem Streit herauszuhalten und „keine unverantwortlichen Bemerkungen mehr zu machen“. Die Kritik der chinesischen Regierung wurde US-Botschafter Gary Locke in Peking förmlich übermittelt. Japan wurde aufgefordert, die chinesischen Territorialansprüche anzuerkennen. Den Einspruch Japans gegen die Militärzone wies das Verteidigungsministerium in Peking als „völlig grundlos und unakzeptabel“ zurück. Japans Außenminister Fumio Kishida hatte erklärt, Japan werde die chinesische Zone nicht akzeptieren. „Es ist ein einseitiger Schritt, der nicht zugelassen werden darf.“ Kishida warnte vor „unvorhersehbaren Zwischenfällen“.

Ministerpräsident Abe sagte am Montag im Parlament in Tokio, die Maßnahme hätte für Japan keine Geltung. Er rufe Peking auf, alle Schritte zurückzunehmen, die den freien Flug in internationalem Luftraum einschränken könnten. Chinas Luftverteidigungszone betreffe alle Flüge in der Region und verstoße damit gegen internationales Recht.

„Es braucht Zeit, um zu sehen, wie die neuen Regeln umgesetzt werden“, sagt der Experte Gary Li von der Militärfachzeitschrift „Jane's Defense Weekly“. „China könnte Kampfflugzeuge schicken, wenn japanische Flugzeuge entdeckt werden – oder es könnte Aufklärungsflugzeuge der Marine entsenden und dort nur Präsenz zeigen.“ Er warnt aber vor einer Eskalation, wenn sich Militärflugzeuge in den jetzt überlappenden Zonen begegnen.

Denn Japan unterhält schon seit Langem seine eigene Luftverkehrsidentifikationszone. Zuletzt wurde sie im Mai 2010 noch deutlich ausgeweitet. „Sie reicht an einer Stelle nur 130 Kilometer an Chinas Küste“, sagt der Experte Gary Li. Die Schaffung der neuen chinesischen Luftverteidigungszone sei eine „direkte Antwort“ darauf. Chinas Zone reiche nun an einer Stelle bis auf 130 Kilometer an Japans Küste heran – aus chinesischer Sicht eine „proportionale Reaktion“.

Nicht zufällig erfolgt der Schritt, wenige Wochen bevor Shinzo Abes rechtskonservative Regierung neue Richtlinien für das Nationale Verteidigungsprogramm beschließen will. Ein Kernpunkt darin ist die Verteidigung abgelegener Inseln. Laut Medienberichten ist geplant, die Zahl von Tankflugzeugen, die Kampfflugzeuge in der Luft betanken können, auf acht zu verdoppeln. So könnten die Kampfjets länger in der Luft bleiben. Die japanische Marine soll um kleinere und schnellere Zerstörer ergänzt werden.

Schon heute lässt Japan täglich Überwachungsflugzeuge der Marine um die japanisch verwalteten Inseln im Ostchinesischen Meer patrouillieren. Wenn ein chinesisches Flugzeug gesichtet wird, steigen F-15-Jäger auf und fordern den Eindringling auf, das Gebiet zu verlassen. Tokio ist nun besorgt, dass chinesische Flugzeuge solche Warnungen ignorieren oder sogar versuchen könnten, Japans Flugzeuge abzudrängen. Vorerst will Japan weitermachen wie bisher. „Wir müssen sehen, was die andere Seite macht“, wurde ein hoher Beamter in Tokio zitiert.

„Die neue Zone ist die symbolische Rache für den Kauf mehrerer Inseln durch Japans Regierung im vergangenen Jahr“, sagt Professor Kerry Brown vom China-Zentrum der Universität Sydney. Die Regierung in Tokio hatte damals argumentiert, keine andere Wahl gehabt zu haben, weil Nationalisten die Inseln kaufen wollte. „Für China war das aber eine Provokation, die immer noch wehtut.“

Einen kriegerischen Konflikt zwischen den Streithähnen erwartet der Professor vorerst nicht. „Diese gegenseitige symbolische Schikane ist kontrollierbar“, glaubt Brown. „Es dürfte aber ziemlich ungemütlich werden, wenn es tatsächlich zu einem physischen Kontakt oder Konflikt käme“, sagt der renommierte Experte. „Nur sind beide Seiten wirtschaftlich so eng verbunden, dass dies einer Art ,gesicherter gegenseitiger Vernichtung‘ gleichkäme.“

Beide Seiten hätten keine andere Wahl, als miteinander auszukommen, ist Brown überzeugt. Das gelingt ihnen aber schlecht, wie 91 Prozent der Japaner finden. Nach einer Umfrage der Regierung hegen 80,7 Prozent der befragten Japaner auch keine freundlichen Gefühle gegenüber China – der höchste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1978.