Der Holländer Geert Wilders will mit der Französin Marine Le Pen einen Anti-EU-Pakt schmieden. In Deutschland findet er keine Mitstreiter

Als wäre er Regierungschef in Holland, so empfing Geert Wilders am Mittwoch seinen französischen Gast Marine Le Pen. Ihre Ankunft am Haager Parlamentssitz war einem Staatsbesuch nicht unähnlich. Polizisten hielten die Zuschauer hinter Zäunen zurück, Fotografen hielten jede Freundschaftsgeste der beiden blondierten Politikstars fest.

Die Begegnung der bekanntesten Rechtspopulisten Europas könnte tatsächlich in die Geschichtsbücher eingehen. Geert Wilders verfolgt eine Mission, und Le Pen kann ihm dabei helfen. Die beiden wollen eine Anti-EU-Allianz schmieden, um ausgerechnet bei den Europawahlen im nächsten Frühjahr zu punkten.

Wilders ist mit seiner Freiheitspartei PVV zwar schon mit vier Abgeordneten im EU-Parlament vertreten – was er aber will, ist eine eigene Fraktion. Schließlich führt die Populistentruppe in den nationalen Umfragen, und Wilders möchte seine Ziele auch auf internationaler Bühne vertreten wissen. Alleine aber kann er das nicht, das ist dem solariumgebräunten Holländer durchaus klar. Vor einiger Zeit hat er es deshalb schon in Deutschland versucht. In einem Berliner Hotel war Wilders der wichtigste Geburtshelfer bei der ‚Freiheit‘, einer Splitterpartei um den ehemaligen CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz, gewesen. Aber die Wilders-Masche – eine autoritär geführte Partei und demagogische Auftritte – wollte hierzulande nicht recht verfangen. ‚Die Freiheit‘ konnte bei Wahlen nie punkten und hat sich vor Kurzem aufgelöst.

Auch auf Unterstützung von der bei den jüngsten Bundestagswahlen so erfolgreichen Alternative für Deutschland (AFD) braucht Wilders nicht zu hoffen. Parteichef Bernd Lucke winkte bereits mit Verweis auf Wilders Radikalität ab. Genauso fehl schlugen die Anbiederungsversuche bei Thilo Sarrazin. Wilders betonte die gemeinsamen anti-islamischen Standpunkte, als er in Berlin lautstark für Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ warb. Dem Autor jedoch war diese Schützenhilfe nicht geheuer, Sarrazin beschrieb Wilders als Rassisten, mit dem er nichts zu tun haben wolle.

Im größten Euro-Land schafft es Wilders also bisher nicht, Fuß zu fassen. Er hat sich aber schon in den Nachbarländern umgeschaut. Er traf den ehemaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus, der genau wie er selbst ein überzeugter EU-Gegner ist. In Belgien hat Wilders mit Filip Dewinter vom separatistischen und rechtsextremen Vlaams Belang einen Glaubensbruder gefunden.

Geert Wilders’ Buhlen um seine europäischen Gesinnungsgenossen markiert eine deutliche Abkehr von seiner bisherigen Strategie, konstatieren politische Beobachter in Den Haag. In der Vergangenheit hatte der Niederländer nichts vom französischen Front National oder den flämischen Nationalisten wissen wollen. Er verstand sich innerhalb Europas als Einzelkämpfer, der nicht zu Kompromissen bereit war. Als einzige internationale Verbündete galten eine Gruppe US-amerikanischer Geldgeber und einige orthodoxe Israelis, die Wilders als junger Mann im Kibbuz kennengelernt hatte.

Das Bündnis mit dem Front National ist erkennbar keine Liebesheirat, sondern beruht auf der pragmatischen Einsicht, dass beide allein nichts ausrichten können. Noch 2009 wollte Wilders nicht in einem Atemzug mit Le Pen genannt werden, geschweige denn mit ihr gemeinsam vor Kameras posieren. Seine wundersame Wandlung hat sicherlich damit zu tun, dass seine neue „gute Freundin“ in ihrer Partei aufräumte. Marine Le Pen bemüht sich um ein gemäßigtes Image ihrer Partei. Parteigründer und Ehrenvorsitzender Jean Marie Le Pen hatte hingegen die Gaskammern ein „Detail der Geschichte“ genannt und zu Fremdenhass aufgestachelt. Mit dem neuen Image hat die 45-jährige FN-Chefin in Frankreich Erfolg. Nun hofft sie auf internationales Ansehen als Anführerin einer europäischen Bewegung. ,,Ich zweifelte lange Zeit und fragte mich, ob es vernünftig ist, mit denen zusammenzuarbeiten“, sagte Wilders. ,,Aber ich konzentriere mich auf Marine Le Pen, nicht auf ihren Vater.“ Im Sommer war Wilders schon bei ihr in Paris gewesen.

Auch seine einstigen Bedenken gegen die österreichische FPÖ hat Wilders über Bord geworfen. Er verstand sich bei einem Besuch in Wien blendend mit dem Frontmann Heinz-Christian Strache. Wenn es gegen Brüssel geht, sehen die Akteure schon mal über ideologische Gräben hinweg. Der Israel ergebene Wilders jedenfalls konnte wohl ausblenden, dass Strache einst in Neonazikreisen verkehrte und mit Holocaustleugnern befreundet ist. Das übergeordnete Ziel bleibt die Bekämpfung der EU, des Euro und des Islam.

Für seinen Werte-Kampf hat Wilders fast überall in Europa Verbündete gefunden. Er holte die italienische Separatisten-Bewegung Lega Nord an seine Seite, sprach mit den nationalistischen Schweden-Demokraten und will auch die Wahren Finnen in sein Lager holen. Das Hauptziel ist eine eigenständige europäische Fraktion. Wilders vier EU-Abgeordnete beschäftigen sich vor allem damit, die Verschwendungssucht der „Eurokraten“ anzuprangern. Der Parteichef will mehr: die Macht Brüssels beschränken und Kompetenzen in die Mitgliedstaaten zurückholen. Dafür braucht er Mitstreiter, denn erst mit 25 Abgeordneten, die aus mindestens einem Viertel der 28 EU-Länder kommen, hat er Zugang zu den Fraktionstöpfen. Dass es nun klappen könnte mit einer länderübergreifenden Fraktion der Rechtspopulisten, bezweifeln indes viele. „Marine Le Pen und Geert Wilders veranstalten ein großes Illusionstheater“, sagt der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff. Es handle sich lediglich um „hohles Wahlkampfgeklingel“. Eine Zusammenarbeit wird es zumindest mit dem wohl prominentesten Euro-Skeptiker im EU-Parlament nicht geben. „Wilders tritt für die Meinungsfreiheit ein und will gleichzeitig den Koran verbieten, das ist ein Widerspruch in sich“, sagte Nigel Farage von der britischen Ukip-Partei, der nicht dafür bekannt ist, allzu zimperlich zu sein.