Lehrer, Staatsbedienstete, Eisenbahner und Ärzte legen Arbeit nieder. Kritik am Rettungskonzept kommt auch aus dem Europaparlament

Athen. In Griechenland haben erneut Tausende gegen die Sparmaßnahmen der Regierung gestreikt. 15.000 Demonstranten versammelten sich am Mittwoch auf dem zentralen Syntagma-Platz in Athen. Wegen des strömenden Regens folgten aber deutlich weniger Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften als erwartet. Zwei Gewerkschaften sagten sogar ihre Pläne für einen gemeinsamen Marsch auf das Parlament ab. Es war bereits der 35. Streik dieser Art seit Ausbruch der schweren Finanzkrise im Jahr 2010, berechneten griechische Medien.

Die größten Arbeitnehmer-Vertretungen im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft hatten zu dem 24-stündigen Ausstand aufgerufen. Stillstand herrschte überall im Land: Schulen blieben geschlossen, Flüge wurden gestrichen. Auch Ärzte und Verwaltungsangestellte nahmen teil.

Staatsbedienstete, Lehrer sowie Eisenbahner legten 24 Stunden die Arbeit nieder. Busfahrer in Athen gingen für sechs Stunden in den Ausstand. Krankenhausärzte behandelten nur Notfälle. Erhebliche Probleme gab es bei der Küstenschifffahrt. Wegen einer dreistündigen Arbeitsniederlegung der Angestellten der zivilen Luftfahrt kam es um die Mittagszeit zu Behinderungen und Verspätungen im Flugverkehr, vor allem auf Inlandsflügen. Auch Museen blieben geschlossen. Journalisten legten für fünf Stunden die Arbeit nieder: Während des Ausstands gab es im Radio und Fernsehen nur Nachrichten, die die Streiks betrafen. Die Proteste richteten sich gegen den geplanten Stellenabbau im öffentlichen Dienst und gegen Privatisierungspläne.

Derzeit hält sich die internationale Gläubiger-Troika zu einem Kontrollbesuch in Athen auf. Die Überprüfung durch die Vertreter von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) war zuletzt mehrfach verschoben worden. Von der Einschätzung der Experten hängt es jedoch ab, ob das hoch verschuldete Griechenland weitere Hilfsgelder von den europäischen Ländern bekommt.

Zuvor hatte es einen Streit zwischen der Troika und der Regierung gegeben, wie ein Loch von mittlerweile zwei Milliarden Euro im Haushalt 2014 zu stopfen sei. Athen geht davon aus, dass die Lücke nur 500 Millionen Euro beträgt und dass der Fehlbetrag über gezielte Maßnahmen und Strukturreformen noch geschlossen werden kann. Weitere Steuererhöhungen und Rentenkürzungen hat sie jedenfalls ausgeschlossen. Die Gläubiger dagegen vermuten, dass Griechenland ohne neue Steuern oder Ausgabensenkungen seine Ziele verfehlt.

Griechenland wurde von der Europäischen Union und IWF mit Krediten und Zusagen in Höhe von 240 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt. Seit sechs Jahren steckt das Euro-Land in der Rezession. Die Arbeitslosigkeit ist auf fast 28 Prozent gestiegen.

Das Motto der aktuellen Arbeitsniederlegungen lautete: „Keine Entlassungen und Kürzungen mehr. Gemeinsam können wir es durchsetzen.“ Den Vertretern der „Troika“ riefen die Menschen zu: „Nehmt euer Sparprogramm mit und haut ab.“ Die Beteiligung an den Kundgebungen war aber geringer, als die Gewerkschaften erhofft hatten. Um die Mittagszeit gingen nur etwa 7000 Menschen in Athen und etwa 2000 in der Hafenstadt Thessaloniki auf die Straßen. Die Demonstrationen verliefen friedlich und wurden wegen strömenden Regens schell aufgelöst, teilte die Polizei mit.

Zu den Arbeitsniederlegungen hatten die beiden größten Gewerkschaftsverbände GSEE und ADEDY aufgerufen. Sie sprachen zwar von einem Generalstreik. Verkäufer in Supermärkten, Taxi- und U-Bahn-Fahrer sowie die Angestellten von Banken und Hotels nahmen aber nicht am Streik teil. Im krisengeplagten Griechenland schrumpft die Wirtschaft seit sechs Jahren. Vor allem junge Leute leiden: Mehr als 60 Prozent der Menschen unter 24 Jahren haben keinen Job. Einen ersten Silberstreif gibt es – 2014 soll es erstmals nach Regierungsschätzungen ein kleines Wachstum von 0,6 Prozent geben. Die Arbeitslosigkeit soll von 27 Prozent in diesem Jahr auf 26 Prozent fallen.

Auch im Europaparlament gibt es eine deutliche Kritik an den Aktivitäten der Geber-Troika. Im Wirtschaftsausschuss stellten Sprecher mehrerer Fraktionen die demokratische Legitimität der Troika infrage. Die Arbeit dieses Gremiums sei nicht transparent, es sei auch keiner Kontrolle durch das Europaparlament unterworfen, betonte der österreichische Christdemokrat Othmar Karas. „Wer trifft in der Troika Entscheidungen – und auf welcher Grundlage?“, fragte Karas. Obwohl seit 2009 ein EU-Krisengipfel den anderen gejagt habe, hätten die Bürger nicht das Gefühl, dass ein Ende der Krise abzusehen sei, sagte der SPD-Finanzexperte Udo Bullmann. Mehrere Abgeordnete warfen der Troika vor, sie habe mit ihren strikten Sparauflagen die Euro-Krisenländer weiter in die Rezession getrieben. Die Folgen seien immer höhere Arbeitslosigkeitsquoten und eine soziale Krise.

Der Vertreter der EZB in der Troika, Klaus Masuch, wies die Vorwürfe zurück. Es habe keine Alternative zu den Strukturreformen in den Euro-Krisenländern gegeben. In Griechenland etwa seien die Gehälter und Renten im öffentlichen Dienst viel zu hoch gewesen, was zu einer „enormen Staatsverschuldung“ geführt habe. Im Übrigen zeigten die Programme nun erste Erfolge – in Irland, Portugal und Spanien habe sich die Lage verbessert, in Griechenland sei im ersten Halbjahr 2014 wieder mit Wirtschaftswachstum zu rechnen. „Es gibt Licht am Ende des Tunnels“. Allerdings müssten die betroffenen Staaten ihre Reformen fortführen.