Im Osten des Landes sind Bürgerkrieg und Gewalt seit 20 Jahren Alltag. Jetzt wurde die wohl wichtigste Rebellengruppe von der Armee besiegt

Addis Abeba/Kinshasa. Als die zu allem entschlossenen Rebellen der M23-Bewegung im November 2012 die Stadt Goma einnahmen, war dies vor allem ein starker psychologischer Schlag für die kongolesische Armee. Zehn Tage lang kontrollierten einige Hundert Mann den strategisch wichtigen Ort im Osten des Landes, stellten Forderungen und plünderten die Bevölkerung aus. Zeitweise drohten sie sogar mit einem Marsch auf die Hauptstadt Kinshasa. Es war der Höhepunkt der Rebellion, die im April 2012 begonnen hatte – und der Moment der wohl größten Schmach für die Streitkräfte des riesigen zentralafrikanischen Landes.

Erst als sich im Dezember Tausende Soldaten vor den Toren Gomas aufstellten, begannen die Rebellen mit dem Rückzug – sehr zur Freude der Menschen dort: „Sie haben alles geplündert, Motorräder, Geschäfte“, sagte Soloman Kabiona damals. „Ich bin glücklich, die FARDC (kongolesische Armee) zurückkehren zu sehen.“

Das Ziel der Rebellen war zu diesem Zeitpunkt bereits erreicht: Im Kräftemessen mit den Truppen von Präsident Joseph Kabila hatten die Rebellen einen wichtigen Sieg errungen. Dennoch: Die Belagerung Gomas war auch der Anfang vom Ende für die Gruppe, wie sich jetzt gezeigt hat. Nicht nur Kinshasa, sondern auch die internationale Gemeinschaft hatten endgültig genug von der Miliz.

Experten zufolge haben vermutlich drei Faktoren das Schicksal der M23 besiegelt. Der erste ist, dass Kabila sich die Verhöhnung zu Herzen nahm – so sehr, dass er Hierarchie und Strukturen der für ihre Disziplinlosigkeit berühmten Armee änderte. Erfahrene Generäle wurden an die Spitze berufen, brauchbare Logistik zur Verfügung gestellt und die Löhne der Soldaten pünktlich gezahlt. Seither gab es kaum noch Berichte über Menschenrechtsverletzungen der Regierungstruppen, die vorher fast zur Tagesordnung gehörten.

Der zweite Faktor war das Eingreifen der Vereinten Nationen. Eine 3000 Mann starke Truppe nahm im Juni den Dienst auf, um die Militäroffensive gegen die M23 zu unterstützen. Das Besondere: Die Soldaten wurden mit einem wesentlich stärkeren Mandat ausgestattet als die bis dahin im Land stationierten 19.000 Blauhelm-Soldaten (Monusco). Der Uno-Sicherheitsrat gab der Mission einen eindeutigen Kampfauftrag. Offenbar unterstützte die Truppe die FARDC bei ihrem Vorrücken in den vergangenen Tagen mit Kampfhubschraubern. Der wohl entscheidende Faktor war aber der dritte – die Passivität Ruandas. Immer wieder hatten Kabila und die Uno dem Nachbarland vorgeworfen, die überwiegend zur Volksgruppe der Tutsi gehörenden Rebellen zu unterstützen. Kigali hatte dies stets bestritten. Dennoch gibt es nun Hinweise, dass Präsident Paul Kagame vor wenigen Tagen dringend aufgefordert wurde, das Vorrücken der Armee nicht zu blockieren.

Der amerikanische Kongo-Experte Jason Stearns zitiert in seinem Blog einen M23-Anführer: „Wir waren ganz auf uns allein gestellt – die Ruander sind einfach nicht mehr ans Telefon gegangen.“ US-Außenminister John Kerry soll Kagame am vergangenen Freitag kontaktiert und zum Stillhalten gedrängt haben, schreibt Stearns unter Berufung auf Diplomaten.

Andere glauben, dass auch die fehlende Solidarität der Bevölkerung mit der M23 eine Rolle gespielt hat. „Die Rebellen repräsentierten nicht die Menschen, für die sie angeblich kämpften“, meint der Historiker Deo Nzarwa Katono von der ugandischen Makerere-Universität. „Sonst hätten sie sich bei ihnen verstecken und weiterkämpfen können. Die Leute hätten sie geschützt.“ Nun bleibt abzuwarten, wie Ruanda und auch Uganda mit der Situation umgehen werden und ob sie den M23-Rebellen Zuflucht und Amnestie gewähren.

Der Sprecher der ugandischen Armee, Paddy Ankunda, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Sicherheit an der Grenze sei verstärkt worden. Unter anderem seien Panzer im Einsatz, um ein Überlaufen der Rebellen zu verhindern. „Die Situation ist ruhig. Wir haben einige M23-Kämpfer gefangen genommen, die nach Uganda wollten.“ Eine genaue Zahl nannte er nicht.

Noch operiert knapp ein Dutzend weiterer Milizen in der Region. „Die Niederlage der M23 ist aber auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der Sondergesandte des US-Außenministeriums für die Region der Großen Seen, Russell Feingold, im südafrikanischen Pretoria. „Nun müssen die Entwaffnung und Demobilisierung der anderen bewaffneten Gruppen sowie ein umfassender politischer Dialog folgen.“

Der Sieg über die M23 ist aber auch so schon ein deutliches Signal dafür, dass das seit 20 Jahren von Bürgerkrieg und unaussprechlichem Horror gekennzeichnete Land endlich auf Frieden hoffen darf.