Die Wut wächst. In Portugal und Italien protestieren Zehntausende Menschen – darunter viele Rentner – gegen den Sparkurs ihrer Regierungen.

Rom/Lissabon. Zehntausende Menschen haben in Italien und Portugal gegen die Sparpolitik ihrer Regierungen protestiert. In Rom gingen am Wochenende nach Angaben der Organisatoren rund 70.000 Demonstranten auf die Straße. Auch in Lissabon und Porto versammelten sich Zehntausende Menschen unter dem Motto „Gegen Ausbeutung und Verarmung“ – darunter neben vielen Jugendlichen und Familien mit kleinen Kindern auch Tausende Rentner.

Vor allem unter den Demonstranten in der portugiesischen Hauptstadt machen Schreckensberichte über Hunger und Not die Runde. Dabei hat das Euro-Krisenland das Schwerste noch vor sich. Im nächsten Jahr erlebt Portugal die größten Etatkürzungen seit 1977. Vor allem Beamte und Rentner soll es treffen. Rentnerin Marques sagt der Agentur Lusa: „Ich habe die Salazar-Diktatur erlebt, so schlimm war es aber nie“, schimpft die 86-jährige Deonilde Marques, die von ihrem 50 Kilometer entfernten Wohnort in Setúbal angereist ist, um am Protest gegen den neuen Sparhaushalt teilzunehmen. ,„Wie soll ich denn Geld fürs Essen übrig haben?“. Mit ihrer 336-Euro-Rente müsse sie Gas, Wasser und Strom sowie auch Miete bezahlen.

Die Demonstration findet demonstrativ vor der Brücke des 25. April statt, die an die Nelkenrevolution von 1974 gegen die Salazar-Diktatur erinnert. „Die extreme Armut hat in Portugal stark zugenommen. Es gibt nicht nur immer mehr Arme, sondern die Armen werden ärmer und ärmer“, klagt der Präsident des katholischen Hilfswerks Caritas, Eugenio Fonseca. Die Präsidentin der Hilfsorganisation Banco Alimentar, Isabel Jonet, weist darauf hin, dass „viele Kinder nur eine Mahlzeit pro Tag bekommen.“

Seit über zehn Jahren leidet das Land unter einer Konjunkturflaute. Die jüngsten Steuererhöhungen, Gehalts- und Sozialkürzungen haben ihr Übriges getan. Inzwischen sind nicht mehr nur die Gewerkschaften, die linke Opposition, die Hilfsorganisationen und die Kirche der Überzeugung, dass man den Bürgern des ärmsten Landes Westeuropas keine weiteren Opfer mehr abverlangen kann. Die Regierung in Lissabon hatte am Dienstag Einschnitte im nächsten Haushalt in Höhe von insgesamt 3,9 Milliarden Euro angekündigt.

Unter anderem sollen Renten für Staatsbedienstete oberhalb von 600 Euro im Monat um etwa zehn Prozent gekappt werden. Darüber hinaus sollen Kürzungen bei den Witwenrenten und die Heraufsetzung des Rentenalters von 65 auf 66 Jahre weitere Einsparungen in Höhe von 305 Millionen Euro ergeben.

In Rom kam es bei der Großdemonstration in Rom es zu Ausschreitungen. Etwa 100 Vermummte hätten die Polizei in der Nähe des Finanzministeriums mit Steinen angegriffen, teilte die Polizei am Abend mit. Es seien zwei Polizisten verletzt worden. Den Angaben zufolge wurden unter anderem Metallketten, Baseballschläger und ein Messer beschlagnahmt. Zugleich wurden 15 Demonstranten festgenommen.

Die Demonstration war von einem großen Polizeiaufgebot begleitet, laut Medienberichten waren zwischen 3000 und 4000 Beamte im Einsatz. Schon im Vorfeld des Protestmarschs beschlagnahmten die Sicherheitskräfte mehrere Waffen wie Schläger, Messer, Ketten und Helme, 14 Menschen wurden vorläufig festgenommen. Vereinzelt kam es zu Ausschreitungen: Bei einem Gebäude der Bank UniCredit warfen Unbekannte Scheiben ein. Die Regierung in Rom hatte am Dienstag einen Haushaltsentwurf verabschiedet, der neben Steuererleichterungen von fast 15 Milliarden Euro weitere drastische Sparmaßnahmen unter anderem bei den Sozialausgaben vorsieht.