Machtkampf auf den Malediven spitzt sich zu. Polizei stoppt zweite Runde der Präsidentschaftswahl. Auswärtiges Amt rät von Reisen ab

Neu-Delhi. Die Malediven stürzen immer tiefer ins politische Chaos. Nachdem die Polizei am Sonnabend die Verteilung von Wahlzetteln verhindert und so zweite Runde der Präsidentschaftswahlen gestoppt hatte, wächst nun die Furcht vor einem Putsch im Tropenparadies. Erst im September hatte das Verfassungsgericht des Inselstaates das erste Wahlergebnis in einer höchst fragwürdigen Entscheidung für ungültig erklärt.

Die Sicherheitskräfte sperrten am Wochenende einen zentralen Teil der Hauptstadt Malé ab, in dem sich unter anderem das Büro des Präsidenten und das Oberste Gericht befinden. Anhänger des aussichtsreichsten Kandidaten, Ex-Präsident Mohammed Nasheed, antworteten mit Sitzblockaden und Straßensperren. Das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte daraufhin seine Reise- und Sicherheitshinweise für die Malediven: Ausschreitungen seien nicht auszuschließen, von nicht zwingend erforderlichen Reisen auf die Hauptinsel Malé und andere bewohnte Inseln werde in den nächsten Tagen abgeraten.

Schuld an der politischen Hängepartie ist ein erbitterter Machtkampf: Die drei Präsidentschaftskandidaten ringen mit ganz verschiedenen Mitteln um das höchste Amt. Da ist zum einen Mohammed Nasheed, ein Menschenrechtsaktivist und Ideologe, der zwar im Volk sehr beliebt ist, aber sonst keine Machtbasis besitzt. Er hatte die Wahl im vergangenen Monat gewonnen – und dürfte das auch wieder schaffen, wenn man ihn denn ließe.

Gegen ihn tritt Resort-Besitzer Gasim Ibrahim an, der reichste Mann des Inselreichs. Mit all dem Geld könne er sich Stimmen und den Einfluss bei den Verfassungsrichtern kaufen, heißt es in diplomatischen Kreisen. „Gasim will sein Privatimperium weiter ausbauen und auf staatliche Füße stellen“, sagt ein Diplomat. Mit beiden verfeindet ist Nummer drei, Abdulla Yameen, der sich auf die loyalen Sicherheitskräfte und alten Seilschaften seines Halbbruders verlassen kann, des früheren Autokraten Maumoon Abdul Gayoom. „Eine zutiefst verzwickte Situation“, so der Diplomat. Dabei sah die Lage in dem Reich der 1000 Inseln vor fünf Jahren noch so verheißungsvoll aus. Gayoom musste nach drei Jahrzehnten Alleinherrschaft – auch auf internationalen Druck – abtreten und demokratische Wahlen zulassen. Hoffnungsträger Nasheed gewann, doch er schaffte es offensichtlich nicht, die alten Strukturen zu zerschlagen. Im Februar 2012 meuterten die Sicherheitskräfte, und Nasheed wurde aus dem Amt getrieben.

Die Welt schaut mit Schrecken auf die Entwicklungen in dem kleinen Staat mit seinen 400.000 Einwohnern. Der Commonwealth of Nations ist „extrem besorgt“, Großbritannien „tief bestürzt“ und der große Nachbar Indien „sehr enttäuscht“. S. Chandrasekharan vom Thinktank South Asia Analysis Group im indischen Neu-Delhi findet allerdings, die internationale Gemeinschaft müsse mehr tun, als Besorgnis und Bedauern auszudrücken.

Er fürchtet, dass sich die Malediver das nicht mehr viel länger bieten lassen. „Die fast 100.000 Menschen, die für Nasheed gestimmt haben, sind politisch sehr aktiv und werden sich früher oder später erheben“, prognostiziert Chandrasekharan. Bislang sei die Situation im Inselreich noch ruhig, weil Nasheed immer wieder zu friedlichem Protest aufrufe. Doch auch dessen Ton wird schärfer. Ich fordere euch auf: Blockiert diese Straßen“, rief er am Sonnabend nach Angaben des Nachrichtenportals „Minivan News“ den Demonstranten zu, die ihr Wahlrecht einforderten. „Seid wütend. Lasst euch nicht entmutigen.“

Am 11. November endet die Amtszeit von Noch-Präsident Mohammed Waheed. „Wenn bis dahin keinen Präsident gefunden ist, haben wir ein Worst-Case-Szenario“, sagt Ali Shamaan, Vizepräsident der Journalistenvereinigung der Malediven.