Sozialisten und Konservative sind gleichermaßen geschockt vom Ergebnis in Brignoles

Paris. Es war nur eine Mini-Wahl, doch in Paris führte sie zu heftigen Erschütterungen: Genau 9332 Bürger gaben bei der Kantonalswahl im südostfranzösischen Städtchen Brignoles einen gültigen Stimmzettel ab, normalerweise hätte dieser Urnengang niemanden weiter interessiert. Doch knapp 54 Prozent der Wähler entschieden sich für den Kandidaten der rechtsextremen Front National (FN) – fünf Monate vor den landesweiten Kommunalwahlen und sieben Monate vor den Europawahlen schreckt das Ergebnis die regierenden Sozialisten und die konservative Opposition gleichermaßen auf.

Am Tag nach der Wahl gaben sich Politiker von Sozialisten und Konservativen Mühe, das Ergebnis aus Brignoles nicht zu hoch zu hängen. Dass der FN-Kandidat Laurent Lopez sich in der zweiten Runde einer nachgeholten Kantonalswahl gegen die Kandidatin der konservativen UMP durchsetzen konnte, sei eine „Warnung“, aber nicht repräsentativ, so der Tenor. „Brignoles ist nicht Frankreich“, beschwichtigte Regierungschef Jean-Marc Ayrault. Doch wie blank die Nerven liegen, zeigte Ayrault selbst. Er gab der konservativen UMP die Schuld am Wahlsieg der FN und wetterte: „Die Führungsspitze der UMP trägt eine extrem große Verantwortung, denn sie hat nicht einmal den kleinen Finger gerührt, um ihre Kandidatin zu verteidigen.“

UMP-Chef Jean-François Copé rief Ayrault umgehend auf, „wieder zur Besinnung zu kommen“. Der angriffslustige Konservative selbst hatte die Debatte um die Verantwortlichkeiten am FN-Sieg allerdings zuvor mit angestoßen, als er in der „katastrophalen“ Arbeit der sozialistischen Regierung in Paris einen der Gründe für das Wahlergebnis von Brignoles auszumachen glaubte. Es ist auch weniger das Ergebnis aus Brignoles selbst, das den Vertretern der großen Parteien Sorge macht. Der Ausgang der Wahl steht vielmehr symbolisch dafür, dass die FN sich in Frankreich immer mehr als feste Größe etablieren kann.

Einer vergangene Woche veröffentlichten Umfrage zufolge könnte die FN bei den Europawahlen im Mai 2014 sogar stärkste Kraft werden. Demnach würden 24 Prozent der Franzosen die FN wählen, 22 Prozent die UMP und 19 Prozent die Sozialisten. Parteichefin Marine Le Pen sieht ihre FN gar schon als „größte Partei Frankreichs“. Die FN profitiert vom Unmut der Franzosen über den sozialistischen Staatschef François Hollande angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise, der Schließung von Fabriken, der Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau. Zugleich kann die FN immer mehr Wähler aus dem Lager der Konservativen für sich gewinnen. Denn Marine Le Pen hat Erfolg mit ihrer Strategie, die rechtsextreme Partei zu entdämonisieren und damit für eine breitere Schicht wählbar zu machen. Sie tritt gemäßigter auf als ihr stets polternder Vater Jean-Marie Le Pen, der die FN gründete und +lange anführte – an den Inhalten hat sich indes wenig geändert. Noch immer macht die FN gegen Einwanderer, den Islam, den Euro und die Globalisierung mobil.