Nach den Medienskandalen der vergangenen Jahre will die Politik per Gesetz eingreifen

London. Großbritannien steuert auf einen „Culture clash“ zu, einen Kampf der Kulturen. Es geht um die Pressefreiheit. Im Zentrum steht ein von den politischen Parteien eingebrachter Entwurf zur „freiwilligen und unabhängigen Regulierung“ der Medien – betroffen sind Zeitungen, Magazine und Webseiten –, der bis Ende des Monats seine letzte Hürde nehmen soll. Die Parteispitzen – David Cameron für die Tories, Nick Clegg für die Liberaldemokraten, Ed Milliband für Labour – stehen in seltener Einheit hinter diesem Entwurf, die Phalanx der Medien macht fast ebenso geeint Front dagegen. Die Fehde eskaliert von Woche zu Woche, ein tiefes Zerwürfnis zwischen Politik und Medien scheint unausweichlich.

Um es zu verstehen, muss man auf die Presseskandale von vor zwei Jahren zurückgehen, auf Vorwürfe vor allem gegen Boulevardblätter der Murdoch-Presse, die sich mit Mitteln wie Telefonhacking und Bestechung von Polizisten Informationen beschafft hatten zur Steigerung ihrer Marktposition – und zum Schaden ihrer Opfer. Der Skandal führte zur Einstellung der „News of the World“ und zu einer öffentlichen Entschuldigung des Konzernchefs Rupert Murdoch, führte zu Gefängnis und zu hohen Geldstrafen für die Schuldigen.

Offenbar hatte das frühere Organ zur freiwilligen Selbstkontrolle, die „Press Complaints Commission“, nie ausgereicht, um schuldhafte Medien zur Ordnung zu rufen oder Verstöße zu ahnden. Ein neues System sollte her. Nach Ende der Anhörungen vor seinem Ausschuss legte Lord Leveson Ende 2012 einen Abschlussbericht vor – mit Empfehlungen, auf deren Grundlage sich im März dieses Jahres die genannten drei Parteiführer auf einen eigenen Entwurf zur künftigen Presseregulierung einigten. Er soll qua Gesetz verankert werden, in einer „Royal Charter“, also nicht mehr durch eine presseeigene Beschwerdestelle.

Der Presseverband arbeitete einen Gegenentwurf aus, der die Aufsicht in den Händen der Medien belässt, aber bei Klagen ein unabhängiges Schiedsgerichte über Schadensansprüche entscheiden lassen würde. Daraufhin lenkten die Politiker halb ein, mit einem überarbeiteten Entwurf, der Chefredakteuren eine gewisse Mitsprache bei strittigen Fällen einräumt. Aber das Grundkonzept bleibt: die gesetzlich bindende Royal Charter. Bis auf den „Independent“ lehnen alle anderen Medien ab: Noch nie in der Geschichte der britischen Insel hat es einen von der Politik initiierten Eingriff in die Pressefreiheit gegeben. Wie kann es eine „unabhängige Regulierung“ geben, wenn die Politik als Pate fungiert?

Wie geht es weiter? Was geschieht mit den Medien, die sich auf keinen Fall der Royal Charter unterwerfen wollen? Lenkt eine Seite ein? Bis zum 30. Oktober werden wir die Antwort wissen.