Rom. Nach dem Untergang eines weiteren Flüchtlingsboots im Mittelmeer mit Dutzenden Toten wird der Ruf nach einer Änderung der EU-Flüchtlingspolitik lauter. „Wir können nicht mehr weitermachen wie bisher“, sagte der italienische Ministerpräsident Enrico Letta am Wochenende. Es müsse etwas auf europäischer Ebene geschehen, weil sein Land überfordert sei. Lettas maltesischer Kollege Joseph Muscat warnte, das Mittelmeer drohe zum Friedhof zu werden. Sein Land fühle sich von der EU im Stich gelassen und werde zusammen mit Italien darauf dringen, dass sich der EU-Gipfel in zwei Wochen mit dem Thema Flüchtlinge befasse. Die EU tut sich mit einer gemeinsamen Antwort auf den Zustrom Zehntausender Afrikaner allein diesem Jahr schwer.

Gut eine Woche nach der Katastrophe vor der italienischen Insel Lampedusa, bei der über 300 Menschen ertranken, sank dort am Freitag erneut ein Schiff voller Flüchtlinge. 34 Menschen überlebten den Untergang des Bootes etwa 100 Kilometer vor der Insel nicht. Italienischen und maltesischen Kriegsschiffen gelang es jedoch, 206 Schiffbrüchige aus dem Meer zu retten. Am Sonnabend barg die italienische Küstenwache mehr als 200 weitere Flüchtlinge, deren Boote in Seenot geraten waren.

Der Süden Europas muss seit zwei Jahrzehnten eine wachsende Zuwanderung von Flüchtlingen aus Nordafrika verkraften. Dieses Jahr hat sich die Lage infolge des Bürgerkriegs in Syrien sowie der Unruhen in Ägypten und Libyen, von wo aus viele Boote mit Migranten in See stechen, noch verschärft. „Ich weiß nicht, wie viele Menschen noch sterben müssen“, sagte Maltas Regierungschef Muscat am Sonnabend der britischen BBC und forderte ein Einschreiten der EU. Bislang habe es nur leere Worte, aber keine Taten gegeben. „So wie die Dinge sich entwickeln, machen wir aus dem Mittelmeer gerade einen Friedhof“, sagte er.

Nach Uno-Schätzungen landeten dieses Jahr 32.000 Menschen auf der kleinen Insel Lampedusa und Malta an, deren Aufnahmekapazitäten bis zum Äußersten gespannt sind. „Es muss etwas auf europäischer Ebene unternommen werden, weil unser Land nicht mehr tun kann“, sagte Letta der Zeitung „Corriere della Serra“. Ähnlich kritisch äußerte sich die für Innenpolitik zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malström.