In scharfen Worten prangert Franziskus Narzissmus und Selbstgefälligkeit der römischen Kurie an

Rom. Noch während die acht Kardinäle aus fünf Kontinenten sich am Dienstagmorgen auf das erste Zusammentreffen mit Papst Franziskus in Rom vorbereiteten, prangte es draußen bereits von der Titelseite der Tageszeitung La Repubblica: „Der Papst: So will ich die Kirche reformieren“. Gesagt hatte Franziskus das dem Herausgeber der Zeitung, Eugenio Scalfari, in einem Interview, das dieser pünktlich am Tag eins der Kardinalskonferenz am Dienstag auf fünf Seiten veröffentlichte.

Wieder löste der Pontifex im unkomplizierten Umgang mit den Medien Erstaunen aus – nicht nur bei den Kardinälen, die nun drei Tage lang mit Franziskus in dessen Privatbibliothek hinter verschlossenen Türen konferieren und ihm die von ihnen erarbeiteten Vorschläge für eine Kurienreform präsentieren sollten.

Der Pontifex nahm im Interview kein Blatt vor den Mund, wenn der Interviewer ihm die Möglichkeit zu Kritik an den eigenen Reihen gab. Dabei zielte der argentinische Papst und Jesuitenpater vor allem auf die Missstände der römischen Kurie: „Sie verwaltet die Dienstleistungen, die der Heilige Stuhl braucht. Sie hat jedoch einen Fehler: Sie ist vatikanbezogen.“ Sie befasse sich mit den Interessen des Vatikans, die zum großen Teil noch weltliche Interessen seien, und vernachlässige „die Welt, die um uns ist“, erklärte Franziskus und fügte hinzu: „Ich teile diese Anschauung nicht und werde alles tun, um sie zu ändern. Die Kirche muss wieder die Gemeinde für das Volk Gottes sein.“

Hart kritisierte der Papst die katholische Regierungszentrale, vor allem in Anspielung auf das Machtgerangel, das den Ruf der Katholischen Kirche im Kampf um die Glaubwürdigkeit nach Skandalen um Pädophilie, Vatikanfinanzen und die Veröffentlichung von Geheimdokumenten stark beschädigt hatte. „Die Mächtigen der Kirche sind oft narzisstisch und selbstgefällig und von ihren Höflingen schlecht beraten gewesen“, dabei sei doch „der Hofstaat die Pest des Papsttums“.

Er wolle nie Politik machen, stellte der Pontifex klar. Aufgabe der Kirche sei es trotzdem, „die Bedürfnisse, die Wünsche, die Enttäuschungen, die Verzweiflung und die Hoffnung der Menschen zu hören“, sagte Franziskus – und gab dann doch ein politisches Glaubensbekenntnis ab: Als dramatischste Probleme der heutigen Gesellschaft bezeichnete er „die Jugendarbeitslosigeit und die Einsamkeit der alten Menschen“.

Die Konzilväter, so Franziskus, hätten bereits erkannt, dass die Kirche sich der modernen Kultur und dem Dialog mit den Nichtgläubigen öffnen musste. „Das Zweite Vatikanische Konzil beschloss, mit modernem Geist in die Zukunft zu blicken. Aber seitdem wurde wenig in diese Richtung getan. Ich habe die Demut und Ambition, dies tun zu wollen.“ Die Reform stehe im Zentrum seiner Arbeit mit dem Ziel einer missionarischen Kirche. Die Vorsehung habe ihn an die Führung der Kirche gestellt, und „ich werde tun, was ich kann“. Es sei der „Beginn einer Kirche, die nicht nur eine hierarchische Organisation ist, sondern auch horizontal strukturiert ist“. Dazu gehören die beratenden Kardinäle. Papst Franziskus hatte das Gremium schon am 13. April zusammengerufen.

Die acht Mitglieder vertreten alle Kontinente. Europa wird vom Münchner Erzbischof Reinhard Marx repräsentiert. Alle Mitglieder der Gruppe seien Männer seines Vertrauens, „es handelt sich nicht um Höflinge, sondern um weise Menschen, die meine Gefühle teilen“, so Franziskus.

Erst am Montag hatte der Papst die Beratergruppe der Kardinäle offiziell in den Stand eines „Kardinalsrats“ erhoben und damit zur ständigen Einrichtung erklärt. Die Kardinäle sollten ihn fortan nicht nur bei den Plänen für die Kurienreform, sondern auch bei der Regierung der Kirche beraten.