Neuer Präsident Rohani streckt Hand aus. Ziviles Atomprogramm ja, Nuklearwaffen nein. Netanjahu findet Uno-Rede „heuchlerisch“, Westerwelle lobt

New York. Im Grunde genommen hält Irans neuer Präsident Hassan Rohani bei seinem ersten Auftritt vor der Uno-Vollversammlung eine ziemlich durchschnittliche Rede. Mit 27 Minuten ist sie länger als die erlaubte Viertelstunde, was bei den Vereinten Nationen aber fast schon üblich ist. Auch er mit vielen Allgemeinplätzen wie „Ja zum Frieden, Nein zum Krieg“ und auch sonst noch einigem, was man hier schon häufiger gehört hat. Am Ende gibt es höflichen Applaus. Keiner protestiert. Keiner lärmt. Alle bleiben sitzen.

Aber allein das ist nach dem jahrelangen Ärger mit Irans bisherigem Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad natürlich schon eine kleine Sensation. Rohanis Vorgänger hatte es regelmäßig geschafft, große Teile der Uno-Versammlung gegen sich aufzubringen. Aus Protest gegen seine Hetzreden verließen die Diplomaten scharenweise den Saal. Zuletzt kamen viele gar nicht mehr.

Und jetzt: was für ein Unterschied. Nach einer groß angelegten Charme-Offensive seit dem Amtsantritt Anfang August ist Rohanis Uno-Premiere der Termin, bei dem jeder dabei sein will. Das Interesse ist sogar größer noch als bei US-Präsident Barack Obama, der sechs Stunden zuvor an der Reihe war – angeheizt durch Spekulationen, dass sich die beiden Präsidenten mehr als 30 Jahre nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen wenigstens auf dem Flur treffen könnten.

Als Rohani ans Pult tritt, ist schon klar, dass aus dem historischen Händeschlag nichts wird. Obama war angeblich dazu bereit, der Iraner noch nicht. „Zu kompliziert“ wäre es für die andere Seite geworden, heißt es aus dem Weißen Haus. Der neue Präsident steht in Teheran unter strenger Beobachtung. Sein Kurs der Öffnung gegenüber dem Westen wird von der religiösen Führung, dem eigentlichen Machtzentrum des Landes, aufs Genaueste verfolgt.

Man merkt das vor allem an der ersten Viertelstunde der Rede, die stark ans heimische Publikum gerichtet ist. Die Warnung vor „kriegstreiberischen Interessengruppen“ in den USA, die Verurteilung von amerikanischen Drohnenangriffen, die Klage über die „illegalen“ Sanktionen. Aber Rohani bleibt höflich. Selbst die Kritik an Israel, das er natürlich nicht beim Namen nennt, verpackt er in salonfähige Form.

Stattdessen Sätze wie „Der Iran ist absolut keine Gefahr für die Welt oder die Region“ oder „Wir glauben, dass es für Weltkrisen keine gewaltsamen Lösungen gibt“. Den Verdacht, an der Atombombe zu bauen, weist Rohani zurück. „Ich erkläre hier mit aller Deutlichkeit, dass das der alleinige Zweck des iranischen Atomprogramms ist.“ Der Iran sei ein „Anker der Stabilität“ in einer instabilen Region. „Die sogenannte iranische Bedrohung ist nur eine ausgedachte Bedrohung.“ Der Präsident – früher selbst Irans Atom-Unterhändler – beharrte auf dem Recht seines Landes, Uran anreichern zu dürfen. Zugleich zeigt er sich aber auch zu konstruktiven Gesprächen mit der internationalen Gemeinschaft bereit, vertreten durch die fünf Ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats und Deutschland (5+1). Das Ziel ist klar: Rohani möchte dafür sorgen, dass die Sanktionen aufgehoben werden, die seinem Land schwer zu schaffen machen. Zeitgleich mit der Rede lässt er die wichtigsten Botschaften über sein Twitter-Konto verschicken – 43 Mitteilungen gleich. So etwas nennt man modernste politische Kommunikation.

Die wochenlange Imagekampagne hat allerdings auch ihren Preis: Die Erwartungen wurden dadurch so hoch, dass die Rede ziemlich dahinter zurückbleibt. Zuletzt hatten einige sogar darüber spekuliert, dass Rohani bei den Vereinten Nationen die Stilllegung der Uran-Anreicherungsanlage Fordo verkünden könnte. Dazu gibt es keinen einzigen Satz – und auch sonst keine konkreten Angebote.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wertete dies sofort als Beweis dafür, dass Rohani genauso wenig zu trauen sei wie seinem Vorgänger. „Das war eine zynische und heuchlerische Rede – wie erwartet“, sagt er. „Rohanis Rede enthielt keinen einzigen echten Vorschlag, das Atomprogramm zu stoppen. Und es gab auch keine Zusage, Resolutionen des Sicherheitsrates zu befolgen.“ Rohani habe von Menschenrechten gesprochen, während der Iran an der Abschlachtung von Zivilisten in Syrien beteiligt sei. Er habe Terrorismus verurteilt, während der Iran sich selber in Dutzenden von Ländern des Terrorismus bediene. Die Uno-Delegation Israels blieb der Rede fern. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus, der Republikaner Ed Royce, sagt schließlich: „Entscheidend ist nicht die Rhetorik, sondern dass die nuklearen Aktivitäten beendet werden.“

Von vielen wird Rohani aber auch gelobt. Noch-Außenminister Guido Westerwelle meint: „Die Tonlage ist völlig neu. Insoweit ist auch Grund für vorsichtigen Optimismus.“ Im Konjunktiv fügt der FDP-Mann hinzu: „Der Iran könnte es ernst meinen.“ Anschließend gibt es mit Rohani in dessen New Yorker Hotel ein erstes Gespräch. Konstruktiv sei es gewesen, heißt es später. Grundsätzlich gilt aber nach wie vor die Sprachregel: Den Worten müssen jetzt Taten folgen.

Gelegenheit dazu ist bald: Bereits an diesem Donnerstag findet in New York ein Treffen aller 5+1-Außenminister mit dem Iran statt. Auch US-Ressortchef John Kerry und sein Teheraner Kollege Mohammed Dschawad Sarif sind dann dabei – ein Treffen, das vor wenigen Wochen noch nahezu undenkbar war.